Von Schweisstropfen und Heimatgefühlen

Zweitages Biketour Stans – Engelberg – Engstlensee – Melchsee Frutt – Stans

Der August knallt mit hohen Temperaturen und Sonne satt. Also ab in die Höhe. Unser Plan: Am Samstag mit dem Bike ab Stans zum Engstlensee und da eine Outdoornacht geniessen. Am Sonntag führt uns die Tour dann via Geisstritt zur Melchsee Frutt und mit einer kleinen Zusatzschlaufe über Stansstad wieder zurück nach Stans. 

Die Uhr zeigt 10.30 an. Uns ist bewusst, dass wir eigentlich früher losfahren müssten, um der grössten Hitze zu entfliehen. Doch, wir wollen erst gegen Abend am Engstlensee ankommen und da unsere Schlafsäcke ausbreiten. Deshalb entscheiden wir uns, erst später am Morgen zu starten. Die Sonne brennt unerbittlich, als wir Richtung Engelberg fahren. Ich überlege bereits, einen Privatdetektiv zum Beschatten anzuheuern. Fast noch fieser als die Hitze ist jedoch der Rucksack, der mich in den Sattel drückt. Ein gefüllter 3-Liter Camelbak, das Schlafzimmer, Kleinküche und etwas warme Kleider für den Abend … das wiegt. Jammern hilft nicht. Irgendwie wollen wir da rauf. Ich merke aber, dass mein Kopf auch schon besser mit solchen Situationen umgehen konnte. Da sitzt der kleine Teufel auf meiner Schulter und lässt hin und wieder eine spitze Bemerkung fallen. Im klaren Wissen darum, dass mein Weggefährte nicht für das Wetter zuständig ist. Und wir die Tour gemeinsam geplant haben …

Bei der ersten grossen Kurve verlassen wir die Asphaltstrasse in Richtung Engelberg und kommen auf den Wanderweg. Der ist malerisch, verzaubert mit Brücken und führt, gottlob, durch den Wald. Doch irgendwann habe ich das Gefühl, es wird überhängend. Ich kapituliere und schieb meinen Drahtesel hoch. Sturzbäche rinnen über meinen Kopf, meine Schultern und meine Beine hinunter. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so geschwitzt habe. Echt! Ich habe das Gefühl, der Aufstieg nimmt kein Ende. Nimmt er doch. Irgendwann sind wir in Engelberg und ich bekomme meinen doppelten Espresso und ein grosses Glas Wasser. Das weckt die Lebensgeister wieder. Von hier wollen wir weiter zum Trübsee. Man könnte das theoretisch alles hochfahren. Sparen wir uns heute und fahren bis Unter-Trübsee. Von da dürfen wir mit der Älplerseil-Seilbahn hochfahren. «Der Mann kann noch mit. Sie müssen bei mir bleiben», meint der Bähndler mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht. Ich darf dann doch mit. Und er nimmt mir, ganz Gentleman, mein Bike aus der Hand und verfrachtet es flugs in der Kabine. «Gute Fahrt und schönen Tag.» «Danke auch so.» Ich glaube, ich war noch nie in meinem Leben so dankbar für eine Seilbahn. Denn von oben betrachtet sehen die Höhenmeter, die es zu bewältigen gäbe, bedrohlich aus. Zumindest bei dieser Hitze. Wir kommen auf Trübsee an. Die nächste Station ist die Sesselbahn zum Jochpass. «Da geht’s ja nochmals hoch, echt jetzt?», ist der erste Satz, der aus meinem Mund stolpert. «Ja, aber ihr seht ja fit aus. Das ist bestimmt kein Problem», meint ein Mann, der mit uns die Bahn geteilt hat. Fit? Anfühlen tut sich’s grad anders. Aber hei, fake it until you make it. Wir schwingen uns aufs Bike und nehmen die letzten paar hundert Meter zur Bahnstation in Angriff. Die Bikes aufgehängt, uns selbst in einen Sessel gepflanzt und los geht’s, hoch zum Jochpass. Schon von Weitem sehe ich dieses Tor, durch das wir unsere Abfahrt zum Engstlensee starten. «Hells Bells Trail …» Aha. Der Name entspannt mich jetzt nicht zwingend. Sekunden später sieht man mich grinsen. Die Abfahrt ist herrlich. Schön zu fahren, flowig. Und als sich vor uns der Engstlensee ausbreitet, bin ich einfach nur noch sprachlos. Würde ich jetzt den Mund öffnen, es kämen Freudenlaute heraus. Ein Anblick zum Niederknien. In diesem Paradies dürfen wir heute nächtigen und das Sternenzelt über unseren Köpfen bestaunen. So zumindest lautet der Plan.

Wir rauschen erst am Engstlensee vorbei und wollen uns auf der Engstlenalp ein Bier gönnen. Ich lechze danach, dieses kühle Gold meine Kehle hinunterzustürzen. Vor der Engstlenalp werden wir abrupt ausgebremst. Da findet ein Schwingfest statt. Die Würste vom Grill und das Rugenbräu sind für einen kurzen Augenblick die Karotte vor meiner Nase. Einfach hin, wie ferngesteuert. Als dann noch ein Jodler Chor zu singen beginnt, wähne ich mich im Schweizer Himmel. Da macht sich ein Heimatgefühl in meiner Brust breit, das meine Mundwinkel einmal um den Kopf spazieren lässt. Die ganzen Strapazen sind vergessen.

Wir kehren an den See zurück. Unsere Badewanne für heute Abend. Unser Schlafzimmer für heute Nacht. Die Fischer am See machen uns keine Hoffnung «Da zieht was auf. Auf eure Apps würd ich mich nicht verlassen …» Hm. Wir haben eigentlich keine Wahl. Wir sind ganz ohne Dach unterwegs und darauf angewiesen, dass es trocken bliebt. Ein Plätzchen, etwas windgeschützt und vielleicht so gelegen, dass wir rasch irgendwo unterschlüpfen können, falls es doch noch regnen sollte. Das wäre der Wunsch. Nach einigem Hin und Her lassen wir die Schlafzimmerfrage ungeklärt und hüpfen einfach mal in den See. Frisches Wasser reinigt die Gedanken und belebt den Geist. Und wann hat man schon die Möglichkeit, sechs namhaften Schwingern beim Baden zuzusehen. Kleiderschränke, die sich in die Fluten stürzen. Jetzt nach einem Autogramm zu fragen, wäre irgendwie unangebracht.

Gut abgekühlt und mit einer leckeren Suppe gestärkt, wirkt alles schon viel einfacher. Wir holen uns noch zwei Bierchen und legen uns dann in die Wiese zum Schlafen. Weil es heute Abend nicht regnen wird. Punkt. Und genau so ist es. Eingemummelt in unsere Schlafsäcke schauen wir zum Himmel. Der ist tiefschwarz und mit Millionen Sternen verziert. Ein Moment, der einen einfach andächtig und ehrfürchtig werden lässt. Für mich sind die Nächte draussen selten mit Tiefschlaf verbunden. Aber ich liebe das Gefühl, so nah an der Natur zu sein. Und auf Mutter Erde zu nächtigen. Das zentriert und erdet mich.

Schon früh kitzelt die Sonne an der Nasenspitze und holt uns aus unseren Schlafsäcken. Heute wollen wir es besser machen und früher los. Zwei grosse Becher Kaffee und eine Schale Müesli später packen wir unsere Rucksäcke. Nein, leichter ist er nicht … Vorbei geht’s an der Engstlenalp über den Wanderweg zum Tannalpsee. Beim Geisstritt gibt’s Schiebepassagen. Der Rest ist fahrbar. Wir sind zwar früher unterwegs, doch es heizt schon wieder mächtig ein. Da kommt das Bad im Tannalpsee gerade richtig. In diesem See ist Mensch Gast. Tausende kleine Fische flitzen im Wasser umher und knabbern an den Füssen, wenn man etwas länger ruhig steht. Herrlich! Unsere Tour geht weiter zur Melchsee Frutt, von wo man über die Strasse oder den Alten Fruttweg zur Stöckalp gelangt. Man darf nur zu ungeraden Stunden abfahren. Was für uns eine Stunde Wartezeit bedeuten würde. Also entscheiden wir, den Alten Fruttweg zu fahren. Ich bete zum lieben Gott, dass das für mich technisch machbar ist. Er erhört mich. Es rumpelt an manchen Stellen zwar ordentlich. Aber fahrbar ist alles. Geschafft! Safe und sturzfrei kommen wir zur Stöckalp, von wo wir der Asphaltstrasse nach Kerns folgen und dann über Ennetmoos zurück nach Stans fahren. Wir weiten die Schlaufe aus, radeln direkt nach Stansstad, hüpfen in den See und gönnen uns zum Abschluss ein kühles Bier. Es fühlt sich an, als ob ich grad aus einem einwöchigen Urlaub zurückgekehrt wäre. So viele Eindrücke, so viele Emotionen, so viel Schweiss – Wahnsinn, was an einem Wochenende alles Platz findet.

Die Tour auf Outdooractive (Wir sind ab Stans gestartet und bis nach Stans zurückgefahren.)

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