Wann verlieren wir diese Unbekümmertheit?

Balkonmorgen und Kaffeetrinken – mein Start in den Tag. Weil ich es mag, wenn die Vögel in vielen Sprachen zwitschern, der Nachthimmel dem Morgen Platz macht. Einzelne Wolken sich drapieren. So langsam, als ob sie sich erst den Schlaf von ihrem Watteleib schütteln müssten. Ein sanfter Sommermorgen. Eine Kinderstimme durchbricht die Vogelgezwitscherruhe.

«Mama, welchen Weg muss ich nehmen?»
«Lauf den, den wir immer gehen.»
«Und wie lange darf ich weg sein?»
«Eine halbe Stunde sollte reichen.»
«Mami, das Überraschungsei!»
«Was ist damit?»
«Das stoht ned uf em Ichoufszätteli.»
Die Stimme der Mama verrät, dass es in ihr schallend schmunzelt.
«Wenn das Geld reicht …darfst du dir natürlich eines kaufen.»

Das Mädchen, vielleicht fünf ist sie, hüpft die Treppe hinab. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht ganz wichtig und strahlend. In grosser Mission unterwegs. Ihre erste Einkaufstour auf eigene Faust, nehme ich an. Der Weg, den sie einschlägt, führt direkt zum Coop, hier bei uns im Quartier. Erfrischend, wie viel Freude in ihr steckt. Die Freude darüber, dass sie zum ersten Mal für die Familie einkaufen geht. Alleine. Die Freude darüber, dass ihre Mama ihr das zutraut. Die Freude darüber, schon so gross und selbständig zu sein. Keine Spur von Zaghaftigkeit. Ein Ausbund an Neugier. Ich blicke ihr nach, wie sie da auf ihren kurzen Beinchen, mit fliegenden Zöpfen, ihrem Ziel entgegen marschiert.

Mit Neugier und Vertrauen Neues entdecken. Das steckt in uns drin. Ganz tief. Doch irgendwann, unterwegs auf dem Lebensweg, da dümpeln diese Eigenschaften oft träge vor sich hin. Man entdeckt zwar immer noch. Doch oft ist das Neue, die Neugier von Respekt begleitet. Manchmal gar von Angst. Wird alles gut gehen? Was, wenn ich das nicht kann? Wie wird es sein? Fragen, auf die es keine Antwort gibt, vermiesen uns die Vorfreude. Statt uns einfach dem hinzugeben, was auf uns zukommt, möchten wir schon im Voraus wissen, ob es denn gut wird. Ob wir schaffen, was wir uns vorgenommen haben. Ob es eine Garantie dafür gibt, dass die Mission gelingt. Wann genau macht das unbekümmerte Wesen dem «Ich will alles sicher wissen» Platz? Und verhindert dadurch so manches Abenteuer? Wann beginnt Mensch, für jedes und alles eine Garantie zu wollen und schliesst Versicherungen ab, bis zum Geht nicht mehr? Warum verharren so viele Menschen in einem Zustand, Tag für Tag die gleiche Routine? Anstatt die Wunder des Lebens auszukosten, so wie das kleine Mädchen?

Ich kenne sie auch, diese Fragen und Zweifel. Wer mir nahesteht, weiss: Darin bin ich manchmal Weltmeister. Aber sie hindern mich nicht daran, trotzdem loszulaufen. Die Ungewissheit bläst mir ihren heissen Atem in den Nacken. Ich gebe mich ihr hin und halte die Hitze aus. Ruhig im Feuer stehen, wäre das Ziel. An manchen Tagen klappt es wunderbar. Manchmal wird ein Ringeltanz daraus. Das neugierige Ding in mir ist aber trotzdem immer stärker. Es hat schon viele Schlachten ausgetragen. Ist aus manchen verwundet hervorgegangen. Die Narben verheilen, bleiben als «Orden» zurück. Mit jedem Mal, wenn ich den Sprung ins Bodenlose wage, lerne ich besser zu fliegen. Ich bin weit davon entfernt, eine Meisterseglerin zu sein. Aber ich bin eine gute Flugschülerin, die einfach dranbleibt. Und zwischendurch wieder aufsetzt, um durchzuatmen. Die Momente, in denen ich denke: «Ach Mädel, was machst du dir wieder für einen Kopf», habe ich anzunehmen gelernt. Ohne mich davon ausbremsen zu lassen. Weil ich einfach glaube, dass wir es dem Leben schuldig sind. Mit mehr Leicht-Sinn unterwegs zu sein und so aktiv gegen die Schwerkraft zu wirken.

Nicht dein Tag?

Dieser Moment, wenn du frühmorgens barfuss in den Garten tapst und spürst, dass da etwas unter deiner Fusssohle klebt, das sich nicht nach Gras anfühlt und im nächsten Augenblick weisst: Du bist auf eine Nacktschnecke getreten.

Dieser Moment, in dem du schwungvoll die Kaffeetasse anhebst, deinen Mund um einen Millimeter verfehlst und die braune Flüssigkeit sich über dein weisses T-Shirt verteilt.

Dieser Moment, wenn du dich unter die Dusche stellst, den Wasserhahn aufdrehst und vergessen hast, dass du gestern Abend die Wanne brühend heiss ausgespült hast.

Dieser Moment, in dem du dich voller Elan in deine Lieblingshose stürzen willst und aus dem Stürzen ein reinzwängen wird.

Dieser Moment, wenn du das Mascara-Bürstchen ansetzt um Great Lashes zu zaubern und du die Borsten stattdessen mitten im Auge platzierst.

Dieser Moment, wenn du aus dem Haus gehst und feststellst, dass du alles verschwommen siehst, obwohl du die Kontaktlinsen eingesetzt hast. Dem Grund Sherlock Home-mässig auf die Schliche kommen willst und dann feststellst: Da sind zwei Linsen in einem Auge.

Dieser Moment, wenn du mit deinem Fahrrad zum Bahnhof fliegst, jedem Profi-Zeitfahrer seinen Titel streitig machen würdest, um dann festzustellen, dass du nur noch die Rücklichter des Zuges siehst.

Dieser Moment, in dem du durch die Strassen der Stadt läufst, den Himmel bestaunst und just in dieser Sekunde in Hundekacke trittst.

Dieser Moment, wenn du ins Büro kommst, dich zur Kaffeemaschine schleppst und realisierst: Der Kaffee ist alle.

Dieser Moment, wenn du den Rechner hochfährst und dein Passwort nicht mehr eingeben kannst, weil der Buchstabe «i» deiner Tastatur defekt ist.

Dieser Moment ist der Moment, in dem du weisst: Der Regisseur des heutigen Tages war besoffen und das Leben spielt nicht dein Lieblingslied.

ABER, du tanzt trotzdem. Und auf einmal gefällt dir die Melodie. Weil du feststellst: Dieser Tag war ein weiterer Tag in deinem herrlich unperfekten perfekten Leben.

No smint, no kiss.

Gehen ON cloud ist schon lange vorbei, denkt sie. Und schmettert ihm ein wütendes «Ich bin raus!» entgegen. Während er dasteht und sich für seine Zukunft ein Zuhause baut, zersplittert die Eingangstür in 1000 Teile. Im Falle eines Falles, klebt UHU wirklich alles. Doch hier versagt er. Also nichts wie los. Mit «das Auto» zum Baumarkt. Es gibt immer was zu tun. Der Heimweg macht Schlangenlinien und führt bei «Ich liebe es» vorbei. Abends will er News anders sehen und gönnt sich dazu bitte ein Bit.

Das war jetzt nicht die feine englische Art, denkt er sich. Er weiss aber auch: Yes we can. Just do it. Und gönnt sich ein Amicelli. Unendlich geniessen ist angesagt. Damit er wieder durchstarten kann, mit der Kraft der zwei Herzen. Seine neu gewonnene Single-Zeit überbrückt er mit Keksen. In Bahlsen steckt viel Liebe drin. So langsam macht sich diese Liebe bemerkbar. In mehr Körperumfang. Bosch hat die Lösung, heisst es doch. Ob es ihm gelingt, wieder ein ganzer Kerl zu werden? Ein Automobil mit Charakter muss her. Also hin zu where money lives. Sein Ein für Alles? Denkste. Er merkt beim ersten Satz des Bankberaters: Da bist du nicht bei the care company. Er wünscht sich nach Hause in seine Wände zum Wohlfühlen. Denn es gibt viel zu tun, packen wir’s an. Vielleicht sogar mit dem Tiger im Tank. In welchem Tank? Den Chrysler kriegt er nicht und das Auto gehört ihm auch nicht mehr. «Willkommen im Leben», sagt er sich. Giesst sich einen Fernet Branca ein. Man sagt, er habe magische Kräfte. Inspired by your dreams läuft er los. Und macht es wie Galileo. Sehen. Staunen. Verstehen. Was sein Gammon heute bewirkt. Ganz nach «Mit diesem Duft kann Dir alles passieren», steht ein wunderbares Wesen vor ihm. Und meint: «Freundin? Wer eine hat, kann sich freuen. Hast du?» Normal ist das nicht, denkt er sich. Aber es ist ihm grad wurscht. Er nimmt sie in den Arm und gibt ihr ein Küsschen. It’s time to change. O2 can do. Er auch.

Ich bin sowas von gestern

Dass Office-Programme und Mac sich nicht innig lieben, ist mir bekannt. Dass mich mein allerliebster Compi aber bereits am Montagmorgen sehr energisch auffordert, mich für mein Officeprogramm zu registrieren, irritiert. Das Programm schnurrt seit zwei Jahren vor sich hin und hat seit der Installation nie mehr nach einem Passwort verlangt. Ich und Passwörter. Das ist in etwa die gleich grosse Liebe, wie Mac und Office. Ein notwendiges Übel, wenn man den Arbeitsalltag einigermassen effizient überstehen will. So oft wie mein Word abstürzt, so oft bin ich mit meinen PW im Kleinkrieg. Ich vergesse sie regelmässig, weil ich sie selten brauche, sie verändert hab oder weil sie in den Untiefen meines Superhirns verschwunden sind. So auch heute. Wie weiter? Ich will arbeiten. Mein Word weigert sich. Also wühl ich mich durch die Seite von Microsoft, um jemanden anzurufen, der mir weiterhelfen kann. Aber, ich kann niemanden anrufen. Weil ich auf der ganzen Seite keine Telefonnummer finde. Sondern tausend FAQs und einen Chat, in den ich mein Problem eingeben kann. Was ich flugs tue, um die Meldung zu erhalten, dass der Chat nicht besetzt sei. Meine Montagslaune fliegt mit Überschallgeschwindigkeit ins Universum. Und weil meine Nerven bei diesem Tempo nicht mithalten können, reissen sie. Ganz ehrlich, ich vermisse die alten Zeiten, als man bei unlösbaren Problemen eine Nummer wählen konnte. Und man auch prompt geholfen wurde. Wer erinnert sich an die 111? Früher haben wir uns einen Spass daraus gemacht, die netten menschlichen Telefonbeantworter mit unmöglichen Fragen zu bombardieren. Was eigentlich als Nummern-Auskunft gedacht war, wurde für uns zu einem fast kostenlosen Unterhaltungsprogramm. Und nie, wirklich nie ist einer der „Beantworter“ aus der Fassung geraten. Heute tippe ich meine Anliegen in anonyme Formulare und hoffe, dass der Chat sich rührt.

Kurze Zeit später möchte ich mich bei „meiner“ Poststelle nach etwas erkundigen. Dumm ist nur, dass ich meine Poststelle gar nicht anrufen kann sondern an eine allgemeine 0800-er gelange. Da tippe ich mich zuerst mit Kurzwahltasten durch das Menu, um am Ende zu hören: „Ich kann Ihnen Ihre Frage nicht beantworten. Da müssten Sie schon bei Ihrer persönlichen Poststelle nachfragen.“ „Ja, das würde ich gerne. Aber ich finde keine Telefonnummer.“ „Stimmt, anrufen können Sie nicht. Sie müssen persönlich vorbeigehen“. Da meine Nerven noch immer im Weltall herumschwirren können die nicht mehr reissen. Also verfalle ich in resigniertes Schweigen.

Mit Schweigen wird man manchmal auch belohnt, wenn man auf eine Antwort auf eine dringenden Anfrage wartet. Auf welchem Kanal auch immer. Manchmal habe ich da den Eindruck, dass „meine“ Wertvorstellungen nicht mehr à la mode sind. Zuverlässigkeit, Respekt, Wertschätzung, Verbindlichkeit – das schätze ich im Privaten und im Geschäftlichen. Wenn ich eine Anfrage bekomme (in welcher Form und wofür auch immer), dann beantworte ich diese, so bald es mir möglich ist. Und sei es nur mit: „Danke für die Nachricht. Ich melde mich.“ Irgendwie habe ich dummerweise aber die Erwartung, dass mein Gegenüber auch entsprechend handelt. Nur, da wartet man sich manchmal den Po wund. Ich sitz dann, warte, mache mir meine Gedanken. Versuche, das Schweigen nicht irgendwie zu interpretieren. (Ich bin eine Frau und für mich ist das ziemlich schwierig.) Nach ein, zwei, drei Wochen hornhautsitzen wage ich dann, mal nachzufragen. Und bekomme zu hören, dass es erledigt sei, nicht mehr wichtig oder was auch immer. Auch das war mal anders. Oder nicht? Da sitz ich dann etwas ratlos und weiss mir auch nicht zu helfen. Also wähl ich auf meinem Handy die Taste Nummer drei für „haben Sie ein Anliegen anderer Art“, um mir etwas von meiner altmodischen Welt zurückzuwünschen. Ich hänge noch in der Warteschlaufe…

Schlachtrufe aus aller Welt

Haribo macht Kinder froh … trällert es von irgendwo. Während ich meinen Nespresso, what else, trinke und mich über den Leisi Quick im Kühlschrank freue. Ganz nach dem Motto „Teig no sälber rolle? Nei Sie!“, wartet er darauf, in einfach gutes Essen verwandelt zu werden. Dass ich irgendwo Marmelade für dich und mich gekauft habe ist logisch. Und unsere Frühstücksmüeslifrüchte sind schlicht und einfach ein M frischer. „Wer häts erfunde?“ fragst du mich, während ich Malbesser Malbuner Speck in die Pfanne haue und denke: Natürlich gut und einfach ein Stück Schweiz dazu. Die Frischmacher habens erfunden und ich habs gekauft. Ich bin doch nicht blöd! Der Unterschied beginnt beim Namen; das ist für jeden von uns klar. Und viele wählen ihn aufregend anders. In der heutigen Zeit ist schliesslich nichts unmöglich. Und es gibt Unternehmen Buy Ciclonal Doxycycline , die den Weg frei machen. Wozu auch immer. Vielleicht, um gemeinsam zu wachsen? Und in einem Haus, das offen ist für Entdecker, getrieben vom Gedanken „Wir werden nicht ruhen!“, umherzuschwirren? Was dann wieder dem live fast, enjoy relaxed nah kommt. Weil plötzlich doch einer sagt: Ich bin raus! Impossible is nothing und draussen zu Hause sind wir irgendwie alle. Willkommen im Leben! Für das Beste im Mann gibt es den Vorsprung durch Technik und wer das nicht rafft macht es auf die feine englische Art. Oder mit dem Companion for Life, in manchen Outdoormomenten so wertvoll wie ein kleines Steak. So fühlt es sich also an, das „Wohnst du noch oder lebst du schon?“. Trotzdem wird es irgendwann Zeit, nach Hause zu fahren. Der Erfolg von morgen will schliesslich heute erschaffen sein. Während die IWC am Handgelenkt richtig tickt und fast so schön wie eine Frau strahlt, klingelts in den Hirnwindungen. „Just do it!“ Denn, wer will schon so bleiben, wie er ist? Sanft streicht eine Hand über die Schulter und zeigt ein strahlendes Lächeln. „Sie haben tief geschlafen. Wir kommen bald in Malaga an.“ Das schmerzende Kreuz schreit „I wett I hett es Happybett. Für ‚ne tüüfe, gsunde Schlaf.“ Die längste Praline der Welt liegt vor mir zum Verzehr bereit und versöhnt mich soweit, dass ich meinem guten Freund ein Küsschen gebe. Er meint jedoch, dass er die mit der Piemont Kirsche eigentlich bevorzuge. Was ich mit einem Schulterzucken quittiere und mir meine Meinung bilde. Getreu dem Motto: Never stop thinking.

Neurotisch?

Wie Sie Ihre Hirnwichserei abstellen und stattdessen das Leben geniessen” – steht in grossen Lettern auf dem knallgelben Deckel meiner aktuellen Lektüre. (Ein Titel, der Aufmerksamkeit erregt. Nicht nur bei mir. Auch bei Neugierigen, Mitlesenden. Und der Inhalt ist genau so schräg, wie der Titel. Entlockt mir hin und wieder ein Schmunzeln. Ab und an ein Stirnrunzeln. Oft finde ich mich in den Zeilen und bin vollends geschockt, dass ich wirklich zu diesen Neurotikern gehören soll. Gut, der Autor (ein italienischer Psychologe) meint, dass 80% der Menschheit neurotisch sei … eine gewagte Aussage. Aber, dann bin ich definitiv in guter Gesellschaft. Neurotischen Menschen ist gemeinsam, dass sie etwas erleben, das sie gar nicht wollen. Lese ich an anderer Stelle. Also sind alle, die von einer Grippe befallen werden und zitternd im Bett liegen – neurotisch? Alle, die Steuern zahlen, ohne dass sie das wirklich wollen, somit auch? Oder mache ich es mir jetzt zu einfach?

Das Wort “Hirnwichserei” gefällt mir ausserordentlich gut. Weil es dieses Gefühl von Gedankendrehen einfach treffend umschreibt. Diese Endlosschleifen im Hirn, die schlussendlich ins Nichts führen. Wir beschäftigen uns tagtäglich mit dem Erschaffen von Problemen, die eigentlich keine sind. Nur, um das Gefühl zu geniessen, eine Aufgabe bewältigt und gelöst zu haben. Das löst die Spannung und gibt uns den Eindruck, dass wir etwas Wichtiges geleistet haben. Baut der Steuerbeamte meiner Wohngemeinde auch Spannungen ab, wenn er mir gewichtig mitteilt, dass ich diese und jene Abzüge in meiner Steuererklärung mit Sicherheit nicht machen kann? Auf meine Frage nach dem Warum bekomme ich die Antwort: Das ist einfach so. Besten Dank auch! Als ob mein Beitrag in die Steuerkasse für die Gemeinde existenziell wäre … Da sind andere Dinge um Einiges gewichtiger. Lese ich einen Artikel, in dem ausführlich geschildert wird, wie ein Geschäftsmann die Welt seit Monaten hinters Licht führt. Im grossen Stil lebt, Mietzinsen nicht bezahlt, Luxusgüter ordert und seinen Sprössling in eine Privatschule schickt. Mahnungen mit einem Schulterzucken entgegennimmt und persönliche Zahlungsaufforderungen einfach abnickt: “Ja, in den nächsten Tagen bekommen Sie das Geld.” Man lässt ihn gewähren. Schliesslich sind alle geil auf den Umsatz und einfach nur blind. Dass da aber nichts kommt und die Familie in einer Nacht und Nebelaktion das Chalet im mondänen Ort verlässt, ist klar. Die Polizei findet bei der Hausdurchsuchung lediglich eine Flasche Dom Perignon im Abfalleimer … Ich finde, die Geschichte hat Potenzial. Vielleicht sollten sich der Herr Steuerbeamte und alle anderen Ordens- und Würdenträger mal um die wirklich grossen Dinge kümmern, statt auf Spatzen zu schiessen? Mache ich mir dazu Gedanken, werde ich definitiv neurotisch und die Hirnwichserei beginnt von vorne.

A propos wichsen … ich geh jetzt mal Schuhe putzen. Vielleicht wird es ja doch noch mit der “Vom Tellerwäscher zur Millionärin” Karriere.

 

 

Go with the flow … oder so.

Fluchend und jammernd sitz ich in diesem unmöglichen Ding. Stossgebete schick ich zum Himmel. Immer und immer wieder. Derselbe verdunkelt sich zwar. Lässt gewitterschwarze Wolken ziehen. Was mich dann auch nicht gerade zuversichtlich stimmt und mich in meiner ohnehin schon verkrampften Stimmung keinen Deut weiterbringt. Aber erhört wird meine Hilfeschrei nicht. Der See ist ruhig, sehr ruhig sogar. Schöne Schilfgürtel unterbrechen das schlammige Braun des Wassers. Und bilden für mich wunderbare “da fahr ich jetzt direkt hinein” Anlaufstellen. Es ist wie beim Autofahren. Da wo man hinguckt, fährt man auch hin. Aber anpeilen muss ich ja irgendwas. Sonst geht die Fahrt munter im Slalomstil weiter. Leider bleibt es nicht bei den Schilfgürteln. Ich finde da noch weitere hübsche Gegenstände, die ich mit meinem Kajak rammen kann. Irgendwann klemm ich mich fest. Genau im Dreieck eines Stegs, der direkt zu einem ganz, ganz schönen Wochenendhäuschen führt. Fluchen – das kann ich wie ein Rohrspatz in solchen Momenten. Meine Hände krallen sich an dieses blöde Paddel. Wie, zum Henker nochmal, komm ich jetzt hier wieder raus? In meinem ganzen Elend hab ich gar nicht bemerkt, dass ich (abgesehen von meinem Kajakgspändli) noch weitere Zuschauer habe. Eine ältere Dame sitzt vor ebendiesem Häuschen und guckt verwundert. Ich presse ein “Grüss Gott” zwischen den Lippen hervor und hoffe, dass sie sich damit zufrieden gibt. Weit gefehlt. Die Liebe ist schwerhörig und hat mein Gemurmel als Aufforderung zum Näherkommen verstanden.

“Ja, was wollen Sie denn, junge Dame?”
“Nichts. Ich bin nur am Üben und krieg mein Kajak nicht mehr aus dieser Ecke.”
“Oh, Sie Arme! Kann ich denn irgendwas für Sie tun?”
“Ja, hätten Sie vielleicht Baldrian Tropfen?”
“Baldrian? Leider nein. Aber Herztropfen hätt ich. Ich bin 88 und brauche das langsam. Davon können sie gerne haben.” Sie meint es wirklich ernst, todernst.
“Wir nehmen alles. Bringen Sie die Dinger,” tönt es von hinten.
Die Szene ist so bizzarr und bringt mich zum Lachen. Endlich entspann ich mich ein bisschen. Was schlussendlich dazu führt, dass ich fähig bin, paddeltechnische Anweisungen entgegenzunehmen. Irgendwann, nach gefühlten 100 Stunden, hab ich dann wieder festen Boden unter den Füssen und bin recht froh darum. Was soll ich sagen? Ich hab Blasen an den Händen und frage mich, wie ich eine Woche in diesem Ding überleben soll. Es fühlt sich für mich an, wie halb eingesargt. Ich muss wohl an meinem inneren Bild etwas arbeiten. Visualisieren und mir vorstellen, wie leicht und geschmeidig das Boot über das Wasser gleitet. Für ein Huf- und Felstier wie mich ein etwas schwieriges Unterfangen. Aber, ich werde mich bemühen. Und, vielleicht konsumiere ich einfach jeweils am frühen Morgen ein bisschen Gras. Das soll unglaublich entspannen und … schlussendlich ist es ja das Hauptnahrungsmittel von Bergziegen und -zicken.

Gratis aber nicht umsonst

Sanftes Erwachen, Vögel zwitschern im Garten. Es kostet nichts.
Strecken und recken, der Frühling ist da. Erste kleine Sprösslinge lassen vorsichtig ihr Köpflein aus der Erde. Huch, Winter schon vorbei? Die Sonne wärmt Herz und Haut. Einfach so, geschenkt. Der Wind säuselt leise sein Liebeslied. Verzückte Gesichter, wohin man schaut. Die Menschen können wieder Lächeln. Kostenlos. Sie krallen bunte Farben aus dem Kleiderschrank und wetteifern mit der Natur um Aufmerksamkeit. Viele hübsche und freundliche Wesen. Was ein einzelner Sonnenstrahl doch alles ausmacht. Weltfrieden für einen kurzen Moment – gratis, aber nicht umsonst. Danke!