Weihnachten

Weihnachten ist das Fest der Liebe.
So war es gedacht und so wurde es lange gemacht.
Ich erinnere mich mit Freuden daran.
An den Abend, an dem das Christkindli kam.
Die Tür zum Wohnzimmer war für uns tabu.
Wir sassen in unseren Zimmern und fanden keine Ruh.
Gespannt lauschten wir den Geräuschen dort.
Bloss nichts verpassen, zur rechten Zeit am rechten Ort.

Irgendwann klingelte ein helles Glöcklein.
Wir huschten in die Stube, auf unseren Söcklein.
Da stand er dann, der Weihnachtsbaum.
Und leuchtete, es war ein Traum.
Geschenke gab es auch bei uns daheim, na klar.
Immer waren es Dinge, nützlich und unkaputtbar.

Und jetzt, steh ich so da, beobachte das Treiben.
Sehe Kindergesichter an Schaufensterscheiben.
Dies darf es sein, das bitte auch
und dann noch was Kleines obendrauf.
Menschen rennen gehetzt durch den Tag.
Alles erledigen, besorgen, kaufen auf einen Schlag.
Der Weihachtsbaum soll gross und mächtig sein.
Die Geschenke zahlreich und sicher nicht klein.

Es geht hü und hott, vorwärts, marsch flott.
Keine Zeit für einen gemächlichen Trott.
Man ist gereizt und von Reiz überflutet.
Es blinkt und leuchtet, es funkelt und tutet.
Und dann ist es da, das Fest der Liebe und des Ruhens.
Manch einer am Arsch und ziemlich neben den Schuhen.
Heute da, morgen dort, jeden Tag an einem anderen Essen.
Warum man es tut, hat manch einer vergessen.

Ich sitze so da und beobachte das Treiben.
Mag es, in meinem kleinen Kreise zu bleiben.
Denn Weihnachtszeit ist das Fest der Liebe.
Und da wünsch ich mir, dass es immer so bliebe.
Nicht die Geschenke, der Baum im Mittelpunkt.
Ein bisschen weniger von all dem Prunk.
Und dafür wieder mehr von echter Aufmerksamkeit.
Verteilt aufs ganze Jahr und nicht nur bei einer Gelegenheit.

Alles hat seine Grenzen

Es war dieser schöne Sommertag im letzten Jahr. Ich hab mich von meiner Freundin überreden lassen, mit ihr eine Biketour zu machen. Oder kam die Idee gar von meiner Seite? Erinnere mich nicht mehr so genau. Aber, an eine Szene erinnere ich mich ganz genau. Den Berg rauf gings ja noch einigermassen. Mit dem Runter hatte ich dann so meine liebe Mühe. Sprich – Angst! Wie ein aufgehetztes Kaninchen hab ich auf meinem Bike gesessen und mich an den Lenker geklammert. Ja nicht loslassen. Was die ganze Sache dann natürlich noch etwas verklemmter hat werden lassen. Meine Freundin tanzt auf ihrem Bike munter vor mir her. Umfährt mühelos Steine, nimmt jede Wurzel unter ihr Rad. Es ist ein Genuss, ihr beim Fahren zuzusehen. Es sieht so leicht und locker aus! Das muss wohl auch das kleine Mädchen gedacht haben. Die Familie, die uns entgegenkommt, beobachtet uns schon von Weitem. Und ich bin mir sehr wohl bewusst, dass ich eine kümmerliche Figur abgebe. Irgendwann entnervt vom Rad steige. Die Kleine läuft an mir vorbei und fragt ihren Paps: „Du, warum stösst die Frau das Velo den Berg hinunter. Kann sie nicht fahren?“ Nein, sie kann nicht! Ätsch!

Diese Schmach sitzt mir den ganzen Herbst über im Genick. Deshalb musste ich auch nicht lange überredet werden, als Bikeferien zum Thema wurden. Wenn nicht jetzt, wann dann? Ab in die Toscana – der Plan. Meine Freundin kennt die Gegend wie ihre Westentasche. Ist Wiederholungstäterin und leitet seit Jahren Touren. Ich habe also meinen perfekten Bikeguide mit dabei. Angekommen, Bike gefasst. Am Sonntag geht’s los mit der ersten Tour. Es soll meine Sturzparade werden. Ganz ehrlich – ich bin in meinen ganzen Jahren auf dem Rennrad nicht so viel gestürzt, wie an diesem einen Tag. Die Tour ist eigentlich sehr schön. Aber so richtig geniessen kann ichs nicht. Habe tausend Horrorszenarien in meinem Kopf. Eine kurze Pause. Bevors dann zur Sache geht. Der Canyon – alle juchzen, als es auf diese Abfahrt zugeht. Ich stehe da oben am Einstieg und kann mir beim besten Willen nicht erklären, was daran toll sein soll. Eine Spur, dass grad das Rad drin Platz findet. Jede ungelenke Bewegung führt unweigerlich zum Sturz. Und das alles in einer Steilheit, die für mich nahezu überhängend anmutet. In die Kurven schauen und in den Flow kommen. Nichts einfacher als das! Ich fahr runter. Bis zur Schlüsselstelle. Meine Freundin vor mir. „Jetzt musst du aufpassen“. Wumms! Schon lieg ich wieder am Boden. „Bist du gestürzt?“ klingts besorgt von vorne. Logo bin ich gestürzt, was denn sonst! Irgendwann wieder daheim. Arg geschunden und gebeutelt. Und ich ringe meiner Freundin das Versprechen ab, am Dienstag zur Erholung eine Rennradtour zu machen. Wellnessurlaub auf dem Rad, für mich zumindest. Trotzdem schaff ichs, mich jeden Tag aufs Neue zu motivieren. (Woran meine Freundin einen nicht unwesentlichen Anteil hat.) Und, es macht mit der Zeit so richtig Spass. Es ist ja nicht so, dass ich überhaupt nicht Radfahren kann. Aber, mit dem Renngöppel über die Strassen zu bolzen oder sich mit dem Bike durch nicht vorhandene Wege zu schlängeln, das sind Welten. Wenn erst die Technik wieder mal da ist, dann kehrt auch die Freude zurück. Gegen Ende Woche gefällt auch mir der Canyon. Fahre Singletrails und nehme Abfahrten unter die Räder, von denen ich mir nie erträumt hätte, sie mal zu fahren. Aus den anfänglichen Standartfragen: „Wo bist du? Bist du gestürzt?“ (Weil es mich wieder irgendwo in die Büsche gehauen hat.) Wurde dann irgendwann „Was, du bist auch schon da?“ Und ganz ehrlich, ein kleines bisschen Stolz bin ich schon. Sollte ich in diesem Jahr der Familie mit dem Mädchen begegnen, fahr ich nonchalant an ihr vorbei (und streck ihr vielleicht sogar die Zunge raus).

Trotzdem werde ich noch nicht übermütig. Habe ein paar gut sichtbare Mahnmale mit nach Hause genommen, die mich den ganzen Sommer über an meine unfreiwilligen Abflüge erinnern. Wie heissts doch gleich: Narben machen interessant? (Oder gilt das nur für Männer?)