Ohne Worte

Bist du schon mal Achterbahn gefahren? Ja? Du sitzt in diesem kleinen Wägelchen. Festgeschnallt. An einem kleinen, blöden Sicherheitsbügel, natürlich TÜV geprüft, hängt dein Leben. Das Gefährt ruckelt ganz langsam die Schiene hoch. Der Wind säuselt um dein Gesicht und flüstert Fieses in deine Ohren. Meist höre ich dann noch irgendwo ein verdächtiges Geräusch. Mein Puls jagt in die Höhe. Rundherum – bodenloses Nichts. Ich klammere mich an den Bügel. Und schicke Stossgebete in die Wolken. Viele angespannte Gesichter, auch freudige erregte. Angekommen auf dem höchsten Punkt (nicht zu verwechseln mit dem Höhepunkt). Der Atem stockt und … dann donnert dieses kleine Scheissding in die Tiefe. Die Magensäfte bewegen sich gegengleich in die Höhe und die Gesichtszüge entgleiten. Und mit ihnen jegliche menschliche Zurückhaltung. Ein G … folgt aufs nächste: Geschrei, Gekreisch, Gejohle, Gequietsche. Als gäbe es kein Morgen und den Preis für die Dezibel reichste Darbietung zu gewinnen. Eigentlich bin ich nicht so scharf auf Achterbahnen. Mein Leben beschert mir so schon genug Höhen und Tiefen. Und mit Adrenalin werde ich auch reichlich versorgt. Dass die Gesichtszüge der Schwerkraft folgen, bringen die Jahre so mit sich. Also sehe ich nicht ganz ein, warum ich dafür dann Geld ausgeben soll. Trotzdem – hin und wieder lass ich mich breitschlagen. Und überwinde mich. Um dann, voller Stolz, zerzauster Frisur und sauren Magensäften aus der Klapperkiste zu steigen: Yes! I did it! Denn, wenn ich etwas nicht mag, dann mein Leben in die Hände von technisch gesteuerten Geräten ohne Bodenkonktakt geben. Das fängt bei der Achterbahn an und hört beim Flugzeug auf. Diese Dinge sind mir suspekt. Und trotzdem setze ich mich ihnen hin und wieder aus. Mehr oder weniger freiwillig. Spannend an solchen Aktionen ist jedoch, dass ich dann einen ungeheuren Lebenshunger, eine wahnsinnige Dankbarkeit für all das was ich bin und habe und tausend gute Vorsätze entwickle. Binnen Sekunden kann ich im Kopf ein ganzes Buch schreiben. Die Gedanken rattern. Für alles andere bleibt keine Energie. Einfach, weil ich so mit Angst haben beschäftigt bin, dass ich vollkommen ruhig und sprachlos werde. Schon beinahe apathisch – für mein Wesen also ziemlich ungewöhnlich. Wärs möglich, dass man mich deswegen hin und wieder mit auf die Achterbahn oder in ein Flugzeug nimmt?