Heute ist nicht alle Tage …

Ein stinknormaler Morgen. Du stehst auf.
Bist noch etwas zerknittert, nicht so gut drauf.
Ein bisschen Morgenmief unter der Achselhöhle
Alles im Grünen, soweit. Wozu gibt’s Aromaöle?

Dann setzen sich deine Gedanken aufs Karussell.
Drehen ihre Runden. Ganz schnell.
Ganz nach dem Motto: Da bewegt sich zwar was,
bringt dich mit Sicherheit nicht weiter, macht keinen Spass.
Dein Hirn spielt Pingpong und du bist Zuschauer
in diesem leidigen Spiel, von manchmal langer Dauer.

Zu deinem Spiegelbild motzend «Ich bin heute nicht gut drauf.»
«Was ist los? Wo klemmts, brauchst du einen Einlauf?»
«Ach hör doch auf, mir ist nicht nach Plaudern.»
«Echt so schlimm?», meint dein zweites Ich mit Schaudern.

«Halt doch die Schnauze, das geht dich nichts an!»
«Raus mit der Sprache, du erstickst noch daran.»
«Da hat mich einer vorhin so doof angeglotzt.»
«Was guckst du so blöd, hab ich ihn angemotzt.»

«Fette Kuh», hat der bestimmt gedacht.
Kaum umgedreht, ins Fäustchen gelacht.
«Spinnst du, du bist doch nicht dick!
«Also manchmal hast du echt einen Tick.»

«Dann hab ich von ‘nem Kunden eine Mail bekommen.
Lass uns reden … ich bin noch immer benommen.
Mein Herz ist knieftief gesackt.
Bestimmt hab ich irgendwas verkackt.»

«Geht’s noch? Du verbockst doch nie was!»
«Vor zwei Jahren hab ich geliefert, da war ich kein As.
«Vor zwei Jahren? Und dazwischen, alles im Grünen?
Du suchst echt die Schneeflocke in den Sanddünen.»

«Und dann ist da noch dieser neue Kunde
bin sicher nicht gut genug und es gibt ‘ne Extrarunde.»
«Nicht gut genug? Und warum wählt er dich dann?»
«Bin bestimmt die Einzige, die grad kann.»

So sitzt du da. Dein Ego fährt Schlitten mit dir.
Dein Verstand dreht bald durch, ist beinahe irr.
Das Selbstvertrauen sitzt in der Ecke, gekrümmt vor Scham.
Zerschrammt, zerzaust, wie jemand, der aus einer Schlacht kam.

Und dann klingelt das verdammte Telefon.
Am Ende der Leitung genau die Person,
die angedroht hat, mit dir reden zu wollen.
Dein Magen antwortet mit lautem Grollen.

Dein Mund spricht: «Ach, schön dich zu hören.»
«Hoffe, du hast Zeit. Will dich nicht lange stören.
Wir haben da was, ein grosses Projekt.
Beim letzten Mal, da lief das einfach perfekt.
Können wir das wieder durchziehen, etwa im gleichen Stil?»
Du gibst ihm dein Wort: «Na klar, das ist mein Ziel.»

Dann legst auf. Verfällst in hysterisches Lachen.
Bist auf einmal hundemüde, vom vielen Sorgen machen.
Wie ein Ballon ohne Luft hängst du im Stuhl
Schwörst dir: «Nächstes Mal bleibe ich kuhl.
Nie mehr torpediere ich mich selbst so.
In Zukunft bin ich einfach glücklich und froh.

Das kleine Gewohnheitstierchen, die Miene verdüstert
und hämisch grinsend dir ins Ohr flüstert:
«Heute ist nicht alle Tage.
Ich komm’ wieder, keine Frage.»

Ohne Worte

Bist du schon mal Achterbahn gefahren? Ja? Du sitzt in diesem kleinen Wägelchen. Festgeschnallt. An einem kleinen, blöden Sicherheitsbügel, natürlich TÜV geprüft, hängt dein Leben. Das Gefährt ruckelt ganz langsam die Schiene hoch. Der Wind säuselt um dein Gesicht und flüstert Fieses in deine Ohren. Meist höre ich dann noch irgendwo ein verdächtiges Geräusch. Mein Puls jagt in die Höhe. Rundherum – bodenloses Nichts. Ich klammere mich an den Bügel. Und schicke Stossgebete in die Wolken. Viele angespannte Gesichter, auch freudige erregte. Angekommen auf dem höchsten Punkt (nicht zu verwechseln mit dem Höhepunkt). Der Atem stockt und … dann donnert dieses kleine Scheissding in die Tiefe. Die Magensäfte bewegen sich gegengleich in die Höhe und die Gesichtszüge entgleiten. Und mit ihnen jegliche menschliche Zurückhaltung. Ein G … folgt aufs nächste: Geschrei, Gekreisch, Gejohle, Gequietsche. Als gäbe es kein Morgen und den Preis für die Dezibel reichste Darbietung zu gewinnen. Eigentlich bin ich nicht so scharf auf Achterbahnen. Mein Leben beschert mir so schon genug Höhen und Tiefen. Und mit Adrenalin werde ich auch reichlich versorgt. Dass die Gesichtszüge der Schwerkraft folgen, bringen die Jahre so mit sich. Also sehe ich nicht ganz ein, warum ich dafür dann Geld ausgeben soll. Trotzdem – hin und wieder lass ich mich breitschlagen. Und überwinde mich. Um dann, voller Stolz, zerzauster Frisur und sauren Magensäften aus der Klapperkiste zu steigen: Yes! I did it! Denn, wenn ich etwas nicht mag, dann mein Leben in die Hände von technisch gesteuerten Geräten ohne Bodenkonktakt geben. Das fängt bei der Achterbahn an und hört beim Flugzeug auf. Diese Dinge sind mir suspekt. Und trotzdem setze ich mich ihnen hin und wieder aus. Mehr oder weniger freiwillig. Spannend an solchen Aktionen ist jedoch, dass ich dann einen ungeheuren Lebenshunger, eine wahnsinnige Dankbarkeit für all das was ich bin und habe und tausend gute Vorsätze entwickle. Binnen Sekunden kann ich im Kopf ein ganzes Buch schreiben. Die Gedanken rattern. Für alles andere bleibt keine Energie. Einfach, weil ich so mit Angst haben beschäftigt bin, dass ich vollkommen ruhig und sprachlos werde. Schon beinahe apathisch – für mein Wesen also ziemlich ungewöhnlich. Wärs möglich, dass man mich deswegen hin und wieder mit auf die Achterbahn oder in ein Flugzeug nimmt?