Rundwanderung Vogorno – Vogorno

Wir schreiben den 28. Oktober 2017. Das Wetter in der Deutschschweiz ist schon  etwas kühler, die Sonnenstube lockt für Ausflüge. So auch das Verzascatal. Wir haben auf unserer Rundwanderung von Vogorno nach Vogorno (1180hm, 5.30h) die südliche Schweiz von ihrer wilden, einsamen Seite kennengelernt. 

Die letzten Oktobertage in der Deutschschweiz sind leicht bockig. Das Tessin lockt mit Sonne und so lassen wir uns verführen, auf ein paar Wanderstunden im Verziascatal. Ja, grundsätzlich ist es ein Blödsinn, für einen einzigen Tag mit dem Auto ins Tessin zu reisen. Da die Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln für die ausgewählte Wanderung aber rund 3,5 Stunden beträgt und das Postauto für die Heimreise ab Vogorno einmal um 17 Uhr und einmal um 19 Uhr fährt, nehmen wir halt doch die bequemen vier Räder.

Es hat immer was von Urlaub für mich, wenn ich ins Tessin fahre. Denn, meine freie Zeit verbringe ich meistens und gerne in den Bergen vor meiner Haustür. Also ist die Freude an diesem Samstag Ende Oktober doppelt gross. Wir fahren flüssig, gönnen uns kurz vor Sant’Antonio noch einen Espresso wie ihn nur die Italiener oder eben Tessiner können. Stark, dunkel, aromatisch und für nette zwei Franken. Der Wachmacher hilft uns dann, bei der Parkplatzsuche in Vogorno die Nerven zu bewahren. Auf einmal würde die Anreise mit ÖV Sinn machen. Parkplätze gibt es so gut wie gar keine. Schlussendlich parken wir ungefähr 20 Fussminuten von unserem Startpunkt entfernt. Das behagt Madame (also mir …) nicht. Asphaltgehen finde ich öde und meine Laune sinkt dann schnell da hin, wo der Teufel haust. Also nichts wie Daumen raus und darauf hoffen, dass sich uns einer erbarme. Ich werde erhört. Ein Auto hält, bereits gut gefüllt mit einer munteren Truppe. Wir dürfen uns dazuquetschen und sitzen dann ganz kuschelig zu viert auf der Rückbank. Als wir unser Reiseziel nennen schaut uns der Fahrer verdutzt an und prustet los. «Ja, ich weiss. Es ist nicht weit. Aber ich bin zu faul, auf Asphalt zu gehen», erkläre ich die Daumenstrategie. Ich kann mir ausmalen, was hinter der belustigten Denkerstirn vor sich geht: «Prinzessin». Natürlich, bin ich das. Hin und wieder. Die Fahrt ist lustig und wenige Minuten später spukt uns das Auto am Strassenrand in Sant’Antonio raus. Wir verabschieden uns wie alte Freunde. Es wäre vermutlich ganz gesellig mit dieser Truppe weiterzuziehen und ein, zwei Bierchen zu trinken. Doch für heute ist unser Ziel ein anderes. Die Wanderung führt von Vogorno über die Alpe Bardughè als höchsten Punkt wieder zurück nach Vorgno. Eine runde Sache. Und das wird es wirklich. Einmal mehr erweist sich unsere Tourenplanung als absoluter Glücksgriff. Das Tessin, das Verziascatal, es zeigt sich von seiner wildesten und einsamsten Seite. Wir begegnen keiner Menschenseele. Die Kastanienwälder, die rotgefärbten Blätterteppiche, die verschlafenen Dörfchen unterwegs, sie gehören uns alleine.

In Odro fläzt die Seele sich in den Liegestuhl

In Odro gönnen wir uns auf der Azienda Montana Odro eine kleine Pause. Der Biobergbauernhof bewirtet Gäste. Auch zum Übernachten. Schlafen kann man im Massenlager. Zudem stehen da zwei sehr hübsche Rusticos, auch zur Miete. Das kulinarische Angebot ist Ende Oktober nicht mehr riesig. Aber die Gastfreundschaft und die launigen Bemerkungen des Gastgebers, Tobias, machen es wett. Neugierige Geissen staksen an Tischen vorbei und schnappen sich Rucksackbändel zur Vorspeise. Der Gockel macht seinem Namen alle Ehre und schart die Hennen um sich. Und aus der Ferne hört man Esel rufen. «Ich bin noch nicht lange hier. Diesen Sommer hab ich meine Sachen gepackt. Meine Stelle als Berufsmusiker aufgegeben. Ich wollte einfach nochmals neu anfangen. Und jetzt bin ich hier. Die Arbeiten sind zum Teil sehr kräfteraubend und anstrengend. Aber es ist alles zu bewältigen. Und, es macht mir einfach Spass. Was ich noch nicht weiss, bringe ich mir alles nach und nach bei.» Dabei strahlt Tobias wie ein Lausbub, der grad einen grossen Streich ausgeheckt hat. Meine Seele legt sich in den Liegestuhl und geniesst diese Aussicht. Hin und wieder schaff ich es, mit dem Herzen zu gucken. Das geht hier ganz besonders gut. Die Aussicht ins Tal lässt alle Häärchen vor Ehrfrucht spalierstehen. Ja, das ist ein Ort zum Verweilen. Doch wir ziehen weiter. Schliesslich warten noch andere Naturschätze auf uns. Tobias drückt uns noch den Schlüssel für das Wildheuermuseum in die Hand und meint, wir sollten da doch kurz vorbeischauen. Was mir aber direkt ins Auge springt, wie wir ums Eck kommen, ist die Outdoordusche. So muss sich das Duschparadies anfühlen. Ok, im Winter vielleicht etwas frisch. Aber der Blick entschädigt für alles.

Auf der Alpe Bardughè sollte die Zeit zeitlos sein

Der Weg führt uns weiter den Berg hinauf. Vorbei an Herbstwiesen schlängelt sich der Weg dem Hang entlang. Wir queren Felsformationen und Schluchten, wie sie nur die Natur bauen kann. Und dann, irgendwann stehen wir oben. Auf der Alpe Bardughè. Ein kleines Dörflein, viele einfache Steinhäuser stehen da, wie zufällig in die Natur geworfen. Zu der Jahreszeit sind sie unbewohnt. Und wir nehmen uns das Gastrecht an einem der grossen Granittische, die vor den Häusern stehen. Ja, laue Sommerabende lassen sich hier oben bestimmt genüsslich verbringen. Warme Herbstmittage auch. Nach der Verpflegung aus dem Rucksack folgt das Highlight. Wir haben Gaskocher und Mokkakanne mit. Was die Tessiner können, können wir auch. Bald blubbert der Kaffee in der Kanne und der Duft steigt in die Nase. Paradiesisch! Auch das ein Flecklein Erde, an dem Zeit keine Rolle spielen sollte. Auf der Alpe Bardughè kann man auch übernachten. Und wandern. Von hier gehen Wanderwege im weiss-blau-weiss Kleid weg. Ja, ich verspreche mir, zurückzukommen. Wer nicht den ganzen Weg zu Fuss wandern mag, kann übrigens auch mit der Seilbahn hoch. Die offene Kabine ist jedoch nichts für Weicheier. So schön es ist, wir müssen aufbrechen. Die Sonne steht schon relativ tief und wir haben vor, noch bei Tageslicht wieder in Vogorno anzukommen.

Der Abstieg nach Vogorno föhrt durch wunderschöne Wälder. Birken und Kastanien stehen Stamm an Stamm. Der Weg schlängelt sich durch den Berg und verlangt nach Aufmerksamkeit. Ich gehe lieber aufwärts als abwärts. Und so bin ich froh, dass wir bald in Vogorno ankommen. Da unser Auto aber eben in Sant’Antonio steht, ist unsere Reise hier noch nicht zu Ende. Wir finden aber einen hübschen Wanderweg, der durch das Dorf und dem Hang entlang zu unserem Ziel führt. Und so kommen wir ein paar Stunden später mit einem von Sonnenlicht verwöhnten Lachgesicht wieder bei unserem Auto an. Ach ja, das Postauto um 17 Uhr hätten wir locker verpasst.

Infos zur Tour auf schweizmobil.ch
Verpflegungsstop und Sein auf der Azienda Montana Odro
Noch ein lohnenswerter Stopp auf der Alpe Bardughè

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>