Jeder Schritt führt vorwärts

Schweden liegt einen Monat zurück. Noch immer flimmern die Bilder in meinem Kopfkino über die Leinwand. Es war zu schön. Drei Tage, in denen mich unzählige Gefühle besucht haben. Mal war es pures Glück, dann wieder schiere Verzweiflung. Gefolgt von einem Nervenspannen, das mich fast zerrissen hat. Doch, das grösste aller Gefühle, das ich an der Westküste Schwedens erlebt habe, war Dankbarkeit. Endlose, unfassbare, grossartige Dankbarkeit.

Es mag ein altmodisches Wort sein. Doch, es gehört einfach in mein Gefühlsrepertoire. Denn, die Vergangenheit hat mich gelehrt: Nichts auf dieser Welt ist selbstverständlich. In diesem Fall gebührt die Dankbarkeit meinem Körper. Und meinem starken Willen. Ich bin, bevor meine unsägliche Verletzungsserie eingesetzt hat, viel und gerne gelaufen. Dann durfte ich über lange Zeit lernen, was es heisst, wenn der Körper nicht mehr will wie der Kopf. Das war verdammt hart und hat mir einiges abverlangt. Nach und nach habe ich meine Leistungsansprüche zurückgeschraubt und mit feinen Sensoren abgescannt, was möglich ist. Noch Anfang Jahr konnte ich maximal eine Stunde am Stück rennen. Danach war Schluss mit lustig. Und dann stand da auf einmal dieser dreitägige Trailrunninganlass im Raum. Die unglaubliche Möglichkeit, zwei meiner Lieblingsdisziplinen (Schreiben und in der Natur sein) zu verbinden. Das hat mir keine Ruhe gelassen. Und ich war gewillt, alles mir Mögliche zu tun, damit ich diese Chance packen kann. Doch, würde mein Körper mitmachen?

Ich war verunsichert und neugierig. Ich fühlte Vorfreude und war gleichzeitig unglaublich angespannt. So, wie wenn man einen Menschen kennenlernt und ihm peux à peux begegnet, hab ich mich mit mir selbst Schritt für Schritt vorangetastet. Meine innere Stimme hat mir ein unerschütterliches Vertrauen gegeben. (Wenn das nur immer so wäre…) Und ich habe mich gekümmert. Um mich und meine Gesundheit. Pausen eingelegt, wenn es nötig war. Meinen Füssen ihre wohlverdiente Ruhe gegönnt. Jede Woche wurden die Distanzen etwas länger, die Läufe etwas coupierter und – das war für mich das Wichtigste überhaupt – die Freude grösser. Erfüllt mit unendlich viel Dankbarkeit. Ich war so oft in den Bergen unterwegs, bin mein Tempo gelaufen, habe die Natur eingesogen und den Blick in die Weite genossen. Alleine das Wissen, dass jeder Schritt einen Schritt weiterführt, hat mich unglaublich beflügelt. Hin und wieder hat mich eine liebe Freundin begleitet. Sie ist ein Herzmensch, der vor Lebensfreude und Energie nur so strotzt. Die Läufe mit ihr waren jeweils das “i-Tüpfelchen” auf einem ohnehin schon wunderbaren Weg.

Der Weg ist das Ziel – trifft es zu 100%. Natürlich hatte ich dieses Ziel vor Augen, im September drei Tage nacheinander zu rennen, mehr als 20 Kilometer pro Tag. Doch, ich habe mir nie Druck gemacht, eine Bestzeit zu laufen. Für mich stand im Fokus, die Tage zu geniessen, gesund und unverletzt ans Ziel zu kommen (was mir ja fast gelungen ist). Die Zeit, die ich in Schweden erleben durfte, war einmalig.

Und mir wurde wieder einmal bewusst, was möglich ist. Wenn man nichts für selbstverständlich nimmt. Wenn man achtsam ist. Wenn man weiss, wofür man geht und steht. Und wenn man ein Umfeld hat, das einen mitträgt und unterstützt. Natürlich, muss man den Weg alleine gehen. Doch hilft es ungemein, dass da immer wieder «Verpflegungsposten» stehen, an denen man auftanken kann. Sei es in Form von wertvollen Menschen oder atemberaubenden Naturschönheiten.

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