Geniesst du deine Gesellschaft?

Eigentlich hätte ich die letzte Woche in Norwegen verbracht. Eine Woche Skitouren in den herrlichen Fjorden der nordischen Welt. Mein Ding! Ich habe mich unendlich darauf gefreut. War es für mich so etwas wie mein Lichtleuchten nach einer herausfordernden Zeit. Eigentlich. Aus dem Lichtleuchten wurde binnen Sekunden eine kleine Mondfinsternis. Ein Vollpfosten (man verzeihe mir den Ausdruck) hat mich auf der Skipiste als Slalompfosten missbraucht und eingefädelt. Abschuss von hinten. Lädierter Knöchel, kein Norwegen für den Moment. Wieder mal über meine eigenen Pläne gestolpert. Da mich die Sehnsucht nach den Bergen und dem Licht immer wieder antreibt, mache ich mich nach jedem Unfall (oder Umfall) wieder auf und gehe meinen Weg. Schritt für Schritt. So wie man Berggipfel erklimmt.Schritt für Schritt. Auf die schönsten Gipfel gibt es keine Abkürzung. Natürlich führen auf viele Spitzen Seilbahnen. Und es gibt auch für persönliche Krisen Hilfsmittel, um schneller wieder auf die Beine zu kommen. Genau so bekommt man auch Hilfe, wenn es im Körper zwickt. Das macht auch Sinn. Aber am Ende muss ich, muss man, auch selbst wieder in die Höhe wollen. Sei es am Berg, im Seelenleben oder physisch. Ich war, bin enttäuscht und gleichzeitig etwas stolz. Wenn ich mich daran erinnere, wie sehr ich «früher» gehadert hab, wenn etwas nicht wie geplant klappte, dann bin ich heute Buddha in Reinform. Naja, zumindest manchmal.

Was mich viel mehr bewegte, war die Tatsache, ein bisschen ratlos zu sein, wenn ich daran dachte, wie ich die nächsten Tage verbringen soll. Denn, vieles was in meinem Kopf angedacht war, findet auf zwei Brettern im Schnee statt. Ging nicht. Also hiess es für mich, Alternativen zu suchen und tun, was möglich ist. Bloss was, wann und mit wem? Such ich Begleitung, gehe ich alleine? Ein Zuviel an Optionen macht das Entscheiden schwierig. Zumindest für mich. Und ich kann mit solchen Fragen meinen Kopf stundenlang beschäftigen. Spontan jemanden für irgendwas begeistern – schwierig. Volle Terminkalender sind Usus. Vielleicht schwingt aber auch die Tatsache mit, dass ich mich schwer tue damit, zu fragen? Einfach zu fragen.

So sehr ich meine gesuchte Einsamkeit schätze, so sehr hadere ich damit, wenn das Alleinsein nicht freiwillig ist. Weil ich schöne Erlebnisse einfach gerne mit Menschen teile. Natürlich hab ich meine Gedanken auch geteilt. Und die Person, die ich mit meinen abstrusen Hirnkonstruktionen beworfen habe, hatte eine simple Antwort für mich: “Warum geniesst du in der Zeit, in der du allein bist, nicht einfach deine Gesellschaft, anstatt dich einsam zu fühlen?“ Also hatte ich für meinen Urlaub plötzlich ein grosses Projekt: Yvonne in all ihren Facetten. Ich war neugierig auf die vielen Persönlichkeiten, die da auf meine Gesellschaft warteten. Neben der Tatsache, dass ich plötzlich keine Pläne mehr hatte, entstand viel Raum für alles. So auch, dass ich Zeit hatte für Begegnungen. Spontane. Ich bin auf einen Menschen getroffen, den ich mehr als zehn Jahre nicht mehr gesehen habe. Und mein Herz ist gehüpft vor Freude. An einem anderen Tag durfte ich in einem Café den Tisch mit zwei jungen Menschen teilen, die geistig behindert sind. Es war einfach erfrischend, sich mit ihnen auszutauschen. Unendlich bereichernd zu erleben, wie sie ihr Leben feiern. Mit kleinen Dingen. Für dieses Mädchen und den Jungen war es vermutlich das Highlight der letzten Monate, dass sie gemeinsam weggehen, sich in ein Lokal setzen und sich einen Café mit einer riesigen Schaumkrone und Schokoladenpulver leisten konnten. Sie erzählten mir, dass sie dafür während dreier Wochen ihr Taschengeld gespart hätten. Irgendwann sind sie aufgestanden und meinten, sie würden sich jetzt wieder auf den Weg ins Heim machen. Auf meine Frage, ob ich sie fahren soll meinten sie mit einem riesigen Lachen im Gesicht: «Nein, nein. Wir haben jede Menge Zeit und keine Pläne.» Touché.

Mein Urlaub ist vorbei. Ich hab ihn genossen. Mal war ich aktiv, mal hab ich gefaulenzt. Und bei allem war ich immer in bester Gesellschaft. Denn, manchmal sass ich mit fünf Personen gleichzeitig am Tisch, obwohl ich alleine war. Die Erkenntnis aus dieser Woche: Es ist unglaublich bereichernd, einfach wieder mal Zeit zu haben. Ohne Blick auf die Uhr, ohne Blick in den Terminkalender,  dafür mit ganz viel Blick nach Innen.

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