Ziellos

Es gibt Menschen, die feiern Ziele, die sie nicht erreicht haben. Und es gibt Menschen, die erreichen andere Ziele, als sie sich eigentlich gesteckt haben. So zum Beispiel Kolumbus. Eigentlich stach er in See, weil er einen Weg nach Indien finden wollte. Dass er am Ende seiner Reise einen neuen Kontinenten entdeckte, macht seine Geschichte zu einer besonderen. Es gibt auch Sprichworte die sagen: Man reist nicht um anzukommen, sondern um zu reisen. Denn, am Ende ist jeder Weg ein Ziel. Weil der Weg bedeutet, dass man sich bewegt. Etwas ironisch ausgedrückt könnte man auch sagen: Avantgardisten sind Leute, die nicht genau wissen wohin sie wollen aber immer als erste da sind.

In meiner ganzen beruflichen Laufbahn habe ich mir selber nie bewusst Ziele gesteckt. Ich war einfach immer irgendwie unterwegs und bin es heute noch. Weil ich von meiner Neugier angetrieben werde. Dabei ist nicht die monetäre Motivation im Vordergrund. Sondern schlicht und einfach der Spass an der Sache. Vielleicht bin ich auch deshalb „unterbezahlt“ aus Gehaltsverhandlungen gesolpert. Aber es war mir egal. Solange es zum Leben reichte, war ich happy. Und ich hatte nie ein Zielgehalt vor Augen. Sondern immer den Jobinhalt. So hat eine Ausbildung die nächste ergeben und eine Anstellung zur nächsten geführt. Nein, einen Lebensplan, dieses grosse Ganze, hatte ich nicht. Habe ich auch heute nicht. Ist es falsch? Ist es richtig? Ich werte nicht. Ich schaue hin und sage: Es ist. Aber doch durfte und musste auch ich mich mit Zielen auseinandersetzen. Manchmal mit solchen, die mich irgendwie Gaga machten. Dann, wenn es um Budgetziele ging und ich Zahlen frisierte von denen ich genau wusste, dass sie utopisch sind. Marketingbudgets, die weit neben der Realität lagen. Einfach, weil unter dem Strich eine bestimmte Zahl stehen musste, obwohl die Verträge schon unterzeichnet waren. Budgetziele um des Budgets willen und nicht, weil sie realistisch sind. Was nützt es mir da, ein Ziel zu haben?

Genau so unrealistisch ist es wohl sich vorzunehmen, nie mehr mit dem Partner zu streiten. Wo Menschen aufeinandertreffen, treffen Meinungen aufeinander. Ansichten. Vorlieben und Abneigungen. Das führt doch eigentlich ganz automatisch zu Diskussionen. Wie gesittet diese von Statten gehen, ist eine andere Baustelle. Wie verhält es sich denn, wenn man mit dem Gedanken «Ich will die Traumfrau kennenlernen» aus dem Haus geht? Kann man da noch entspannt in ein Gespräch eintauchen? Und wie sieht es mit dem besten Job, dem teuersten Auto, dem grössten Haus aus? Ja, das sind Ziele. So gross und mächtig, dass sie immer sichtbar sind. Nur, sind das meine Ziele? Oder hat mir wer gesagt, dass man danach streben soll? Ist es das grosse Ziel, das die Gesellschaft mir überstülpt. Vielleicht will ich das gar nicht? Nicht wirklich und von ganzem Herzen. Dann setzt nämlich das Alibidenken ein: Ja, das wird schon. Dann irgendwann. Lümmel mich in einen Sessel, häng die Füsse hoch und tue… nichts. Ausser denken: Wenn der Druck gross genug ist, leg ich los.

Dabei will ich in dieser Sache vielleicht gar nicht loslegen. Weil das grosse Ganze nicht mein Ding ist. Weil es nicht mein Ziel ist. Weil mir die Motivation dazu fehlt. Vielleicht besteht mein Ziel darin, meine Arbeit mit unendlich viel Freude zu tun. Mein Leben mit möglichst viel Freiheit zu leben. Mich nicht um Haben zu sorgen sondern im Sein zu sonnen. Einfach nur kontinuierlich mein Ding machen. Ohne ständig wie bekloppt auf Ziele zu starren. Ein kleines Kind lernt auch nicht laufen, indem es sich in den Kopf hämmert: Ich muss bis Ende März 20 Meter in 3 Sekunden schaffen. Es steht auf und geht. Mal einen Schritt, mal zwei. Dann fällt es hin. Und steht wieder auf. Und geht.

Was, wenn ich an einem bestimmten Ziel immer und immer scheitere? Ist es möglich, dass es gar nicht meines ist? Vielleicht geht mein Weg in eine völlig andere Richtung und ich realisiere es nicht, weil ich auf diesen einen Punkt fixiert bin. Einfach mal anhalten und die Kompassnadel neu ausrichten. Einfach mal hinsetzen und sich fragen: Was mach ich gerne, was will ich, wofür brenne ich? Ein Kind spielt nicht, weil es ein Ziel erreichen will. Es spielt um des Spielens willen. Ein Schreiner schreinert, weil er gerne mit Holz arbeitet. Ein Schriftsteller schreibt, weil er einfach schreiben muss.

Vielleicht reicht es, sich jeden Tag des Lebens zu fragen: Was kann ich heute ein bisschen besser machen als gestern? Ist das ein Ziel?

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