Fluchen heilt

Fluchen lindert Schmerzen. Wer hätte das gedacht. Geahnt, vielleicht. Aber, dass es eine wissenschaftlich belegte Erlaubnis gibt, wie ein Rohrspatz zu fluchen, das ist herrlich. Wer in einem Schmerzzustand so richtig herzhaft fluchen kann, setzt Adrenalin, Cortisol und Endorphine frei. Und die drei Hübschen dämpfen das Schmerzempfinden. Es ist, als bereite sich der Körper auf einen Kampf oder eine Flucht vor.

Es stimmt! Jeder kennt das Gefühl, wenn man mit der kleinen Zehe gegen eine Kante donnert. Dieses Zucken, das durch sämtliche Glieder schiesst und man glaubt, in Ohnmacht fallen zu müssen. Die Reaktion ist bei allen (zumindest mir bekannten Menschen) die gleiche. Man vollführt einen Schmerztanz auf einem Fuss, massiert die lädierte Zehe und flucht dabei, was das Zeug hält. Sekunden später ist der Schmerz verblasst und die Zehe geheilt. Welch Wunder der Natur. Wer jetzt aber glaubt, Schmerz komplett aus seinem Leben zu verbannen, indem er von nun an einfach fluchend durch den Tag läuft, hat weit gefehlt. Denn, die Studie sagt weiter, dass Menschen, die häufig ausrasten, den Schmerz nicht mehr in gleichem Masse lindern können, weil der Körper sich an den Zustand gewöhnt. Vermutlich ähnlich, wie mit der Schokolade. Irgendwann reicht ein Täfelchen auch nicht mehr als Seelentröster. Es kommen Zeiten, da brauchen wir eine ganze Tafel, um mit dem Schmerz klarzukommen. Nur, kommt da dann blöderweise irgendwann noch der Schmerz über zu viele Kilos auf den Hüften mit dazu. Und die kann man sich nicht wegfluchen.

Schön, ich hab noch ganz viel Luft nach oben. Nicht bei der Schokolade, nicht bei den Kilos aber beim Fluchen. Und so langsam dämmert mir auch, warum ich vor ein paar Jahren lernen musste, laut zu Schreien. Es wird wohl in etwa ähnliche Vorgänge im Körper auslösen. Es gab eine Zeit, da bin ich etwas über mein Leben gestolpert. Wer mich näher kennt wird jetzt denken: «Die stolpert doch eigentlich häufig.» Stimmt, aber mein Alltagsstolpern ist nichts im Vergleich. Damals war es ziemlich nachhaltig und aus dem Stolpern wurde ein Liegenbleiben. Einige Wochen war ich absorbiert, mit ganz vielen anderen, wunderbaren Menschen habe ich meine Zeit geteilt. Wir alle waren Gestrauchelte, die einen Weg raus aus der Krise gesucht haben. In dieser geschützten Werkstatt durften wir lernen, wieder auf uns und unseren Körper zu hören. Wir durften «Nein sagen» und aus vollem Herzen fröhlich sein. Aus tiefster Traurigkeit heulen und in unendlicher Stille schweigen. Und wir durften schreien. So richtig laut schreien. Ich fand es einfach nur lächerlich und habe mich unglaublich schwer getan damit. Was soll ich Bäume anschreien, die können ja auch nichts für? Jetzt, mit dieser Studie vor Augen ist es irgendwie einleuchtend. Anstatt Ärger runterzuschlucken, mache ich ihm Luft, bekomme ein paar Hormonstösse verpasst und es geht gleich besser. Warum nur bekommen wir dann von klein auf eingetrichtert, dass «man» nicht flucht? Wenn es doch eigentlich alle tun? Und es krank macht, verschafft man seinem Ärger keine Luft? Irgendwie sollten wir da in unseren Glaubenssätze was verändern und von nun an ganz nach dem Motto: «Fluche nicht, wenn es nicht nötig ist. Aber wenn es nötig ist, kann es helfen», leben. Ganz ohne Risiken und Nebenwirkungen.

 

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