Weihnachtsgeschichte 2014

So langsam wird’s dunkel und es ist kein Ende in Sicht. „Ja aber, wo sollen wir hin, hat König Drosselbart gesagt?“
Hänsel schaut auf seinen Kompass und meint „Azimut94 war der Plan … Nur bin ich mir nicht sicher, ob das stimmt.“
„Schau mal, da stehen ein paar rote Schuhe am Strassenrand. Wer die hier wohl vergessen hat. Hm, soll ich sie mitnehmen? Die sind hübsch.“
„Gretel, also wirklich. Manchmal bist du schlimmer als die Prinzessin auf der Erbse und Schneewittchen zusammen. Es geht nicht immer nur ums Aussehen.“„Das sagst du! Du hast doch keine Ahnung, du Froschkönig du! Erinnerst du dich an die Geschichte vom hässlichen Entlein? Ein einsames, mühseliges Leben hat es geführt. Erst, als es zum schönen Schwan herangewachsen war fand es Beachtung.“
Die Nacht bricht herein. Der Mond schickt spärlich Licht vom Himmel. So langsam wird es ungemütlich. Gretel findet es einfach nur gruselig und schimpft im Stillen vor sich hin. Bloss, weil der König vor der ganzen Schwiegerfamilie flüchten wollte, müssen sie jetzt stundenlang durch die Gegend wandern. Wie war noch gleich seine Ankündigung:
„Leute! Die Lage ist ernst, sehr ernst. Am Wochenende 23. / 24. Dezember hat sich meine Schwiegerfamilie zu Besuch angekündigt. Der ganze Clan. YOU KNOW WHAT I MEAN? Ich muss an dem Wochenende etwas sehr Wichtiges vorhaben, möglichst ein gutes Stück weg von hier.“
Also hat man beschlossen, sich im Stall beim Christkind zu treffen. Und jetzt, was haben sie davon? Irren im Wald umher und finden den Treffpunkt nicht. Wenn sie wenigstens sieben Meilen Stiefel hätten.
„Kannst du mal posten, was Sache ist? Damit die anderen wissen, dass wir uns verlaufen haben?“
„Geht nicht. Kein Empfang!“
Völlig in ihre trüben Gedanken versunken bemerken sie nicht, dass zwei funkelnde, gleissende Augen ihren Weg verfolgen. Auf leisen Pfoten im Dickicht. Der Wolf ist hungrig. Die sieben Geisslein scheinen ihn gerochen zu haben. Kein Einziges von ihnen hat er erwischt. Also, nichts wie los, auf Menschenjagd. Just in dem Moment, als der Wolf zum Angriff ansetzen will regnet es Millionen Sterntaler vom Himmel. Auf einmal wird es taghell im Wald. Der Wolf zieht sich winselnd und hungrig ins Dickicht zurück. Hänsel und Gretel fassen es nicht. So viele Goldstücke! Damit können sie sich die Kutsche von Aschenputtel kaufen. Das mühselige Gehen hat ein Ende. Doch, wo kriegen sie die Kutsche jetzt her? Gretel kramt in ihrer Tasche. Irgendwo müssen da noch die drei Nüsse sein. Die hat sie letzthin beim Wühlen auf dem muffeligen Dachboden gefunden. Triumphierend hält sie die geschlossene Faust in die Höhe. Da sind sie. Schnell einen Wunsch abgesetzt, mit dem richtigen Hashtag versehen und hoffen, dass es klappt.
„Hänsel, das geht ja fix. Ich habe Empfang! Der Blaubart hat sich gemeldet. Die Kutsche ist noch besetzt. Frau Holle hat es scheinbar im Kreuz und braucht das Gefährt um ihre Kissen zu transportieren. Schliesslich soll es an Weihnachten ja schneien.“
„Ach nö,“ mault Hänsel. „Ich mag aber nicht mehr gehen.“
Sie trotten weiter. Gretel schreckt zusammen.
„Was war das? Hast du das gehört?“
„Ja, das war mein Magen. Ich habe einen Bärenhunger!“
„Heihei, nicht so schnell! Wer seid ihr und wo wollt ihr hin? Dieser Wald ist mein Revier!“ Vor ihnen steht ein kleines, freches Mädchen. Die Hände energisch in die Seiten gestemmt, Strubbelhaare und Dreck im Gesicht, zerschlissene Kleider und funkelnde Augen.
„Wir sind Hänsel und Gretel und suchen den Weg zur Krippe. Aber wir haben uns verlaufen und furchtbaren Hunger. Wer bist du denn?“
„Ich bin die Tochter des grossen Räuberhauptmanns Mattis, dem Herrscher von Mattiswald und Mattisburg. Ronja! Ihr seid hungrig? Dann kommt mit auf die Burg. Lovis, meine Mutter, wird ganz bestimmt den Tisch für euch decken.“
Hänsel und Gretel schauen sich fragend an. Ratloses Schulterzucken. Was haben sie schon zu verlieren? Gross und mächtig steht die Burg auf einem Felsen.
„Irgendwie unheimlich, nicht?“ flüstert Gretel Hänsel ins Ohr.
„Ach was! Das ist doch Abenteuer! Ich meine, hättest du damit gerechnet, irgendwann Ronja zu treffen? Muss ich nachher gleich posten. Unsere Freunde werden erblassen vor Neid!“
„Wen bringst du da mit? Ich habe dir schon tausend Mal gesagt, du sollst nicht fremde Leute mit nach Hause nehmen!“, poltert es aus einer dunklen Ecke im Schloss.
„Ach Papa, jetzt sei doch nicht immer so misstrauisch. Das sind Hänsel und Gretel. Die sind völlig harmlos!“
„Bald haben wir keinen Platz mehr auf der Burg!“
„Hört nicht auf ihn. Wir gehen in die Küche. Da ist genügend Platz und ihr lernt auch gleich die anderen kennen.“
„Die anderen?“
Bald sehen sie, wer die anderen sind. Die Bremer Stadtmusikanten, Karlsson vom Dach, Pippi Langstrumpf und kleiner Onkel, die sieben Zwerge …
„Jetzt klappt mal den Kiefer wieder nach oben. Die kennt ihr doch alle!“ meint Ronja vergnügt.
„Kneif mich mal, Gretel. Ich glaub mich laust ein Affe.“
Beim gemeinsamen Festmahl erzählen sich die neuen Freunde ihre Geschichten und warum sie auf der Burg gelandet sind. Als Hänsel und Gretel erwähnen, dass sie zur Krippe wollen, sind alle hellbegeistert.
„Ihr könnt den kleinen Onkel haben. Dann müsst ihr nicht mehr zu Fuss gehen!“
„Und ich fliege schon mal los. Vielleicht finde ich den Stern irgendwo. Dann wissen wir, in welche Richtung ihr gehen müsst!“ jubelt Karlsson vom Dach.
Es herrscht ein kunterbuntes Gewirr von Stimmen. Hänsel und Gretel sind ausser sich vor Freude. Schon bald kehrt Karlsson zurück und beschreibt ihnen den Weg. Pippi erklärt dem kleinen Onkel was Sache ist. Der gutmütige Gaul lässt die beiden Kinder aufsteigen und weiter geht die Reise. Vergnügt stellen sie fest, dass es nicht mehr weit ist. Und schon bald bleibt der Stern stehen. Über einer kleinen Scheune. Unzählige Menschen stehen davor. Da entdeckt Gretel einen Hasen und einen Igel.
„Kneif mich mal Hänsel! Ich glaube, ich spinn. Das sind doch die zwei aus dem Märchen …?“
Der Igel schaut die zwei Kinder an und meint nur „Scho do?“
Aber dafür haben sie jetzt keine Augen mehr. Denn vor ihnen liegt das Christkind in der Krippe. Sie sind völlig ergriffen. Welch ein lieblicher Anblick. Maria hebt den Kopf und meint: „Christkind hat eine eigene Facebook Seite. Ihr könnt sie gerne liken.“

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