Neurotisch?

Wie Sie Ihre Hirnwichserei abstellen und stattdessen das Leben geniessen” – steht in grossen Lettern auf dem knallgelben Deckel meiner aktuellen Lektüre. (Ein Titel, der Aufmerksamkeit erregt. Nicht nur bei mir. Auch bei Neugierigen, Mitlesenden. Und der Inhalt ist genau so schräg, wie der Titel. Entlockt mir hin und wieder ein Schmunzeln. Ab und an ein Stirnrunzeln. Oft finde ich mich in den Zeilen und bin vollends geschockt, dass ich wirklich zu diesen Neurotikern gehören soll. Gut, der Autor (ein italienischer Psychologe) meint, dass 80% der Menschheit neurotisch sei … eine gewagte Aussage. Aber, dann bin ich definitiv in guter Gesellschaft. Neurotischen Menschen ist gemeinsam, dass sie etwas erleben, das sie gar nicht wollen. Lese ich an anderer Stelle. Also sind alle, die von einer Grippe befallen werden und zitternd im Bett liegen – neurotisch? Alle, die Steuern zahlen, ohne dass sie das wirklich wollen, somit auch? Oder mache ich es mir jetzt zu einfach?

Das Wort “Hirnwichserei” gefällt mir ausserordentlich gut. Weil es dieses Gefühl von Gedankendrehen einfach treffend umschreibt. Diese Endlosschleifen im Hirn, die schlussendlich ins Nichts führen. Wir beschäftigen uns tagtäglich mit dem Erschaffen von Problemen, die eigentlich keine sind. Nur, um das Gefühl zu geniessen, eine Aufgabe bewältigt und gelöst zu haben. Das löst die Spannung und gibt uns den Eindruck, dass wir etwas Wichtiges geleistet haben. Baut der Steuerbeamte meiner Wohngemeinde auch Spannungen ab, wenn er mir gewichtig mitteilt, dass ich diese und jene Abzüge in meiner Steuererklärung mit Sicherheit nicht machen kann? Auf meine Frage nach dem Warum bekomme ich die Antwort: Das ist einfach so. Besten Dank auch! Als ob mein Beitrag in die Steuerkasse für die Gemeinde existenziell wäre … Da sind andere Dinge um Einiges gewichtiger. Lese ich einen Artikel, in dem ausführlich geschildert wird, wie ein Geschäftsmann die Welt seit Monaten hinters Licht führt. Im grossen Stil lebt, Mietzinsen nicht bezahlt, Luxusgüter ordert und seinen Sprössling in eine Privatschule schickt. Mahnungen mit einem Schulterzucken entgegennimmt und persönliche Zahlungsaufforderungen einfach abnickt: “Ja, in den nächsten Tagen bekommen Sie das Geld.” Man lässt ihn gewähren. Schliesslich sind alle geil auf den Umsatz und einfach nur blind. Dass da aber nichts kommt und die Familie in einer Nacht und Nebelaktion das Chalet im mondänen Ort verlässt, ist klar. Die Polizei findet bei der Hausdurchsuchung lediglich eine Flasche Dom Perignon im Abfalleimer … Ich finde, die Geschichte hat Potenzial. Vielleicht sollten sich der Herr Steuerbeamte und alle anderen Ordens- und Würdenträger mal um die wirklich grossen Dinge kümmern, statt auf Spatzen zu schiessen? Mache ich mir dazu Gedanken, werde ich definitiv neurotisch und die Hirnwichserei beginnt von vorne.

A propos wichsen … ich geh jetzt mal Schuhe putzen. Vielleicht wird es ja doch noch mit der “Vom Tellerwäscher zur Millionärin” Karriere.

 

 

Go with the flow … oder so.

Fluchend und jammernd sitz ich in diesem unmöglichen Ding. Stossgebete schick ich zum Himmel. Immer und immer wieder. Derselbe verdunkelt sich zwar. Lässt gewitterschwarze Wolken ziehen. Was mich dann auch nicht gerade zuversichtlich stimmt und mich in meiner ohnehin schon verkrampften Stimmung keinen Deut weiterbringt. Aber erhört wird meine Hilfeschrei nicht. Der See ist ruhig, sehr ruhig sogar. Schöne Schilfgürtel unterbrechen das schlammige Braun des Wassers. Und bilden für mich wunderbare “da fahr ich jetzt direkt hinein” Anlaufstellen. Es ist wie beim Autofahren. Da wo man hinguckt, fährt man auch hin. Aber anpeilen muss ich ja irgendwas. Sonst geht die Fahrt munter im Slalomstil weiter. Leider bleibt es nicht bei den Schilfgürteln. Ich finde da noch weitere hübsche Gegenstände, die ich mit meinem Kajak rammen kann. Irgendwann klemm ich mich fest. Genau im Dreieck eines Stegs, der direkt zu einem ganz, ganz schönen Wochenendhäuschen führt. Fluchen – das kann ich wie ein Rohrspatz in solchen Momenten. Meine Hände krallen sich an dieses blöde Paddel. Wie, zum Henker nochmal, komm ich jetzt hier wieder raus? In meinem ganzen Elend hab ich gar nicht bemerkt, dass ich (abgesehen von meinem Kajakgspändli) noch weitere Zuschauer habe. Eine ältere Dame sitzt vor ebendiesem Häuschen und guckt verwundert. Ich presse ein “Grüss Gott” zwischen den Lippen hervor und hoffe, dass sie sich damit zufrieden gibt. Weit gefehlt. Die Liebe ist schwerhörig und hat mein Gemurmel als Aufforderung zum Näherkommen verstanden.

“Ja, was wollen Sie denn, junge Dame?”
“Nichts. Ich bin nur am Üben und krieg mein Kajak nicht mehr aus dieser Ecke.”
“Oh, Sie Arme! Kann ich denn irgendwas für Sie tun?”
“Ja, hätten Sie vielleicht Baldrian Tropfen?”
“Baldrian? Leider nein. Aber Herztropfen hätt ich. Ich bin 88 und brauche das langsam. Davon können sie gerne haben.” Sie meint es wirklich ernst, todernst.
“Wir nehmen alles. Bringen Sie die Dinger,” tönt es von hinten.
Die Szene ist so bizzarr und bringt mich zum Lachen. Endlich entspann ich mich ein bisschen. Was schlussendlich dazu führt, dass ich fähig bin, paddeltechnische Anweisungen entgegenzunehmen. Irgendwann, nach gefühlten 100 Stunden, hab ich dann wieder festen Boden unter den Füssen und bin recht froh darum. Was soll ich sagen? Ich hab Blasen an den Händen und frage mich, wie ich eine Woche in diesem Ding überleben soll. Es fühlt sich für mich an, wie halb eingesargt. Ich muss wohl an meinem inneren Bild etwas arbeiten. Visualisieren und mir vorstellen, wie leicht und geschmeidig das Boot über das Wasser gleitet. Für ein Huf- und Felstier wie mich ein etwas schwieriges Unterfangen. Aber, ich werde mich bemühen. Und, vielleicht konsumiere ich einfach jeweils am frühen Morgen ein bisschen Gras. Das soll unglaublich entspannen und … schlussendlich ist es ja das Hauptnahrungsmittel von Bergziegen und -zicken.

Willkommen auf Motzburg

Die Sonne strahlt in ihrem schönsten Licht vom Himmel. Sie schenkt uns die Wärme, die wir vor ein paar Tagen noch so bitterlich vermisst und herbeigesehnt haben. Vögel wetteifern mit ihren Konzerten um die Gunst der Zuhörer. Und der Nachbarsgockel ist völlig aus dem Häuschen. Beginnt sein Gekrähe doch schon morgens um vier und endet irgendwann in den späten Abendstunden. Ob er sich für das Wetter bedankt oder um die Gunst seiner Hennen wirbt, kann ich nicht beurteilen. Um sein zu Hause steht ein mindestens drei Meter hoher Grünzeugzaun. Nicht zu verwechseln mit dem Maschendrahtzaun aus dem Jahre 1999, welcher sogar über einen eigenen Wikipedia-Eintrag verfügt. Continue reading