Weil ich kein Mädchen bin?

Mädchen gehen gerne einkaufen, bevorzugt Kleider, Schuhe und Taschen. Shoppingexzesse gehören mit zu den liebsten Freizeitbeschäftigungen. Genauso wie stundenlanges an der Strippe hängen und quasseln. Oder, sich in Nailstudios aufhalten um Glitzersteinchen auf die Nägel gepappt zu kriegen. Den nächsten Friseurtermin herbeisehnend, weil es nichts Schöneres gibt, als sich von fremden Händen die Haare stutzen zu lassen und dabei gehirnzellenbeleidigende Lektüre aufzusaugen. Sie trinken Prosecco und essen vegetarisch. So stellt man sich landauf landab Mädchen oder eben Frauen vor. Zumindest kriege ich das eingetrichtert, wenn ich Radio höre, Zeitschriften durchblättere oder einfach ein bisschen mithöre, wenn im ÖV geplaudert wird. Und dann kommt eben dieser eine Moment, in dem ich mich frage, ob ich falsch bin. Ich verstohlen mit den Händen in meinen Schritt fasse um festzustellen, dass da auch in der letzten Nacht nichts gewachsen ist. Also zumindest nichts, was mich beunruhigen würde. Auch meine Gesichtsbehaarung entspricht der Norm. Meine Stimme ist weiblich – ohne Zweifel. ABER … irgendwas stimmt mit mir nicht. Denn ich laufe quer zu allen Klischees. Ich kleide mich zwar gerne hübsch und male mein Gesicht an den passenden Stellen des Öfteren auch an. Genauso wie ich die Farbe Pink mag. Aber eben nicht nur Pink sondern auch Oliv, Braun, Blau, Orange, Grün und viele andere. Prosecco mag ich natürlich auch. Aber noch lieber kipp ich ein Bier oder einen Campari Soda. Meine Friseurbesuche ähneln einem Spiessrutenlauf. Meist erwache ich eines schönen Morgens, sehe dass es regnet und dann überfällt mich das Gefühl von “jetzt will ich Haare schneiden gehen”. Ich habe keinen Stammcoiffeur. Generalstabsmässig werden alle Haarschneidereien der Stadt abtelefoniert. Bis ich jemanden gefunden habe, der just an diesem Tag zu gewünschter Stunde Zeit hat. Nur, um ungeduldig auf dem Stühlchen hin und her zu rutschen. Nach zwanzig Minuten sind viele Nerven strapaziert. Die meinen sehr und die der Schneiderin nicht weniger. Weil ich in diesen komplett überheizten Salons einfach nicht ruhig auf einem Stuhl sitzen kann. Zum Glück werde ich maximal zweimal Jährlich Opfer meiner eigenen Launen. Wenn man am Wochenende mit mir “lädele” gehen will, krieg ich Ohrensausen und Schweissausbrüche. Übervolle Shops, viel zu kleine Umkleidekabinen, hunderttausende von Menschen, die durch die Strassen schleichen. Nein, das tu ich mir nicht an. Wozu gibt es online Shops? Abends in Trainerhose und T-Shirt die neuesten Trends angucken, bestellen und in aller Ruhe anprobieren. Die passende Hose gleich in drei Farben und für die nächsten vier Jahre auf Vorrat. Damit ich den Samstag an einem Seil hängend oder sonst wo in der Natur verbringen kann. So sieht Powershopping für mich aus. Genau so “daneben” benehm ich mich bei Restaurantbesuchen. Sie sind eher selten. Aber wenn, dann bestelle ich mir ein schönes Stück Fleisch. Auf die Beilagen kann ich gut und gerne verzichten. Wenn ich wählen muss zwischen 5-Sterne Wellness Hotel und einer Nacht im Freien, dann hätt ich gerne den Sternenhimmel. Das sind dann nämlich Millionen von Sternen. Und damit kann kein Luxustempel der Welt mithalten.

Betrachtet man mich mit meinen Lebensweisen kann man unschwer auf den Gedanken kommen, dass da was falsch läuft. Oder? Hat es mich doch mehr geprägt, als angenommen? Dieses eine Mal, als ich mit meiner Mami einkaufen war. Klein und kräftig, kurzgeschorenes blondes Haar, freche Stupsnase mit lustigen Sommersprossen, im Einkaufswagen sitzend. Kommt eine Frau auf uns zugeschossen und stösst begeistert hervor: “Was für ein hübscher Junge aber auch!”. Sigmund Freud hätte vielleicht Freude daran gehabt, mein “es, ich und über-ich” zu analysieren. Tatsache ist, dass mir Dinge Spass machen, die nicht typisch Mädchen sind. Wahrscheinlich eben genau, weil ich ein Mädchen bin.