Die Braut, die sich traut

Neulich lauschte ich einem Gespräch, das mich fasziniert hat. Faszinieren tun mich nicht nur Dinge, die ich an und für sich schön finde. Faszinierend wirkt auf mich alles, was ich nicht einordnen kann. Was sich meiner Logik verschliesst. Was mein Weltbild in Frage stellt. Faszinierend ist, wenn Gesagtes und Gemeintes so inkongruent wirkt, wie ein Rechteck und ein Kreis. So auch dieses Gespräch. Es mag sein, dass ich falsch interpretiere. Es mag sein, dass ich vorschnell urteile. Es mag auch sein, dass alles ganz anders ist, als ich wahrnehme. Wer bin ich denn?

Und doch … Small Talk in einer illustren Runde an einem schönen, privaten Anlass. Manche Gesichter bekannt, andere weniger. Aber niemand so nah (die Gastgeberin ausgenommen), dass ich mein Innerstes nach Aussen kehren würde. In dieser Runde sitzt ein Pärchen, das vor dem grossen Schritt steht. Sie trauen sich. Aber, ob sie sich wirklich trauen, da bin ich mir nicht so sicher. Sie tun es einfach, weil man es tut, wenn man so lange zusammen ist. So mein Eindruck. Den ganzen Abend beschenken sie sich mit mehr oder weniger passenden Bemerkungen. Sie streichelt über sein nicht vorhandenes Haupthaar und quittiert seine Aussagen mit einem „Ja, Schatz. Natürlich Schatz.“ Er untermalt seine Aussagen mit einem sanften Tätscheln ihrer Wange und einem „Gell, Schatz.“ Ich bin mir nicht sicher, ob ich dieses Theaterstück sehen will. Gekauft hab ich mit Sicherheit kein Eintrittsticket. Und, wärs ein Strassentheater „for free“ würde ich wohl weitergehen. Aber in diesem Rahmen lasse ich mir das hübsche Spektakel dann doch nicht entgehen. Irgendwann dann … „Also, ich müsste nicht heiraten. Ich tu es eigentlich nur ihr zu liebe. Und damit ich mich bald dem Hausmann Dasein widmen kann. Dann soll sie arbeiten und für uns schauen.“ Aha … da haben wir es mit einem ganz emanzipierten Exemplar Mann zu tun. Wenn da nur nicht dieser kleine Unterton wäre. Der dem Gesagten die Glaubwürdigkeit nimmt. Und Einwürfe in Richtung … „für Putzen und Wäsche bin ich dann nicht zuständig. Das ist ihr Fachgebiet.“ „Ja, Schatz. Ich weiss. Du heiratest nur, um mir damit eine Freude zu machen. Darum ersparen wir uns ja auch die Kirche. Gehen an einen schönen Ort und feiern das Fest ganz anders. Wir zelebrieren den Tag in einem ganz anderen Rahmen.“ Sie schaut um Beifall heischend in die Runde. Der Applaus ist verhalten. „Aber ich will einfach einmal dieses Prinzessinnenkleid anziehen.“ Jetzt … stockt mir der Atem. Das war wohl ein Witz? Nur habe ich vermutlich die Einleitung zu dieser Komödie verpasst. Ich warte auf die Auflösung – sprich, dass mir jemand den Gag erklärt. Aber, es scheint sich hier um eine wirklich ernst gemeinte Aussage zu handeln.

Den Wunsch an und für sich kann ich ja nachvollziehen. Beinahe jede Frau möchte einmal in ihrem Leben in diese wundervollen Stoffe gehüllt werden. Und den Tag, den viele als den Schönsten ihres Lebens bezeichnen auch wirklich erleben. Legitim, sich so was zu wünschen. Aber, irgendwie scheint mir hier was verkehrt. Das Kleid stellt alles in den Schatten. Und eigentlich wird nur geheiratet, weil eben dieses Kleid angezogen werden will. Die Braut will heiraten, damit sie in Weiss gehüllt traumtänzerisch durch den Tag gleiten kann. Der Bräutigam heiratet, um seiner Braut diesen Herzenskleiderwunsch zu erfüllen. Ist das wahre Liebe? Zum Kleid oder zum Menschen? Ich hoffe, dass es hält, was es verspricht. Das Kleid und die Beziehung.  Ich kann mir nicht verkneifen anzumerken, dass Weiss in vielen Ländern die Farbe der Trauernden ist. Und nicht die der sich Trauenden.

Lebensatem …

… manchmal ist er wohlriechend. Und manchmal stinkt er zum Himmel. 
Manchmal ist er süss. Manchmal unendlich bitter. 
Hin und wieder salzig, um unvermittelt ins Fruchtige zu wechseln.
 Alsdann unendlich lieblich mit einem sanften Abgang. Der Lebensatem.
Ausweichen geht nicht. Ansonsten müsste man sich aus dem Leben raushalten.
 Doch, wer will das schon? Also, atmen wir in allen Facetten.
 Und schauen, dass uns der Schnauf nicht ausgeht.


Dem Himmel so nah

Es ist nicht der Gipfel an und für sich. Es ist nicht die Leistung. Es ist nicht die Zahl an Höhenmetern. Es ist … viel mehr. Der Mond und die Sterne am nachtschwarzen Himmel sind zum Greifen nah. Sie lassen Träume auf einmal realistisch erscheinen. Alles scheint möglich. Der frühe Morgen riecht so klar und rein, wie nirgends sonst. Die Luft, jungfräulich und unverdorben. Es sind diese unbequem schmalen Lager in den Hütten. Schulter an Schulter eingepfercht. Es sind diese kleinen Schnarchlaute, die einem normalerweise in den Wahnsinn treiben. Es sind die verschwitzten, stinkenden Kleider, welche die Geschichten des Tages erzählen. Es sind die sonnengebräunten, wettergezeichneten Gesichter, die einen ganz eigenen Ausdruck haben. Es sind die lauten, von Wortfetzen erfüllten Nachtessen. Gekrönt von einem Glas Wein in einer geselligen Runde. Es ist das Gefühl, teil einer Gemeinschaft zu sein. Eine Liebe mit all den Menschen zu teilen, die auch da sind. Eine Liebe, die für alle ausreicht. Und einem nie verlassen wird. Es ist das Gefühl, umgeben zu sein, von mächtigen Naturgewalten. All das fasziniert mich immer wieder aufs Neue wenn ich in den Bergen bin. Continue reading