Barbie lebt

Montagabend im Fitnesscenter. Bin spät dran. Es ist nach halb acht, als ich die Geräte stürme. Montag ist ja immer DER Fitnesstag. Alle wollen sich das ungesunde Wochenende aus den Knochen und Muskeln strampeln. Ein Phänomen, das ich bis heute nicht begreife. Warum haben ausgerechnet montags alle das Gefühl, etwas für ihre Fitness tun zu müssen? Das Wochenende würde dazu doch Zeit en masse bieten?

 Aber heute ist eine Ausnahme. Heute begreife ich, dass viele Menschen (männliche insbesondere) den Gang in das OG wagen. Da wo sich sonst vorwiegend Weibchen tummeln. Auf den Crosstrainern. Herr geht ja normalerweise aufs Laufband oder den Ergometer. Aber heute. Ist die Aussicht auf dem Crosstrainer eindeutig eine Reise wert. Definitiv. Selbst ich und andere weibliche Wesen sind fasziniert. Ich mein, ich bin ja normalerweise ein eher diskretes Persönchen. Leben und leben lassen ist meine Devise. Es scheint, dass mir das heute nicht ganz gelingt. Erwische den letzten freien Platz auf der Ehrentribüne. Die Aussicht ist nicht perfekt. Weil die Hauptdarstellerin gleich neben mir steht. Nein, falsch rum. Ich neben ihr. Und so habe ich das Gefühl, dass nicht nur sie angeglotzt wird. Sondern ich auch. Diese Tatsache entfällt meiner Wahrnehmung. Weil ich, bereits auf Autopilot geschaltet, die Festung stürme. Das Kunstwerk sticht mir erst ins Auge (beinahe wortwörtlich), als ich schon am Treten bin. Ein kurzer Blick nach links. Hoppla! Der Ausschnitt ist das Eine. Aber was da unter, im und neben dem Ausschnitt zu sehen ist. Hm. Schon ganz schön gewaltig. Dieser Vorbau. Körbchengrösse Zeltabteilung. Gut, ein solides Einmannzelt. Aber immerhin … Man(n) könnte glatt ein Glas abstellen. Oder gleich ein ganzes Tablett. Was mich irgendwie irritiert ist das Verhältnis von Oberweite und Restkörper. Es gibt doch bei Männern diese Sitzriesen. Im Sitzen mächtig, imposant. Im Stehen ist auf einmal nur noch die Hälfte (der Körpergrösse) vorhanden. Und bei ihr herrscht eben dieses Missverhältnis. Einfach anders verteilt. Mir scheint, als zerbreche ihr kleiner, feingliedriger Körper ob der Last. Da gibt’s ja einiges zu halten und zu tragen. Aber sie tuts aufrecht und mit Stolz. Trotzdem, es ist nicht nur die Körbchengrösse. Die ganze Erscheinung. Dünn gezupfte Augenbrauen. Blond gefärbtes, hochtoupiertes Haar. Zum Pferdeschwanz gebunden. Das Haarband auf die Farbe des Tops abgestimmt. Wunderbar Pink. Die Hose und die Turnschuhe übrigens auch. Die Lippen – ein Schmollmund à la Angie. Nur besser. Die Haut – hat schon einige Stunden unterm Solarium verbracht. Mag in jungen Jahren hübsch aussehen. So knackig braun. Wird sich aber im Alter rächen. Und ich hätte, ganz ehrlich, keine Lust, als ledergegerbte Handtasche durch den zweiten Lebensabschnitt zu spazieren. Aber ja. Was man hat, das hat man.

Irgendwie bewundernswert, dieses Mädchen. Steht da. Und lässt sich anglotzen. Ohne mit der Wimper (die sind übrigens ellenlang) zu zucken. Geht’s ihr wirklich am Arsch (total wohlgeformt) vorbei. Oder lässt sie sich einfach nichts anmerken?

Zwei Jungs, knapp dem Teeniealter entwachsen, stolpern die Treppe hoch. Setzen sich aufs Rudergerät. Und beginnen zu rudern. Nein, sie hatten die Absicht. Der Start misslingt förmlich. Beiden flitzt das Zugseil binnen Sekunden aus der Hand. Grosses Geschepper. Und Gekicher von der Mädchenfront. Mit hochroten Köpfen sitzen sie auf ihrem Ergometer und versuchen, die Wallungen in Griff zu kriegen. Adriano Gelentano würde jetzt wohl Holz hacken gehen. Können sie aber nicht. Also auf. Zum zweiten Versuch. Zugseil in die Hände. Und los geht’s. Nicht, ohne alle halbe Minute in meine, nein eben nicht meine sondern ihre, Richtung zu kucken. Wirklich amüsant, was sich da so abspielt. Mann funktioniert nach dem einfachen biologischen Muster.

Aber ganz ehrlich. Nicht nur männliche Besucher glotzen. Auch die Fräuleins riskieren immer wieder einen Blick. Etwas diskreter vielleicht. Aber doch … Ich steh da auf meinem Crosstrainer. Schmunzel vor mich hin. Unterhaltung pur. Ganz grosses Kino. Und das, ohne Eintritt zu bezahlen. I like … Denke mir, dass jetzt eigentlich nur noch Ken fehlt. So zum Witz … Es geht keine 10 Minuten. Und Ken steht da. Ihr Ken. Da hat sich wahrlich ein Paar gefunden. Er ebenso braungebrannt. Die Haare mit Gel nach hinten drapiert. Muskulöser Oberkörper. Enges Shirt. Die schmale Taille. Die Grösse. Nur bei der Haarfarbe hat er sich etwas vertan. Oder ist Ken neuerdings blond?

Und da soll mir einer sagen, es gebe keine Märchen mit Happy End.