Abende wie diese sind gefährlich. Die Dämmerung taucht das Leben in dunklen Samt, black velvet. Und ebendiese Tatsache kann verheerend sein. Bin mit dem Auto unterwegs. Auf dem Gehsteig läuft ein alter Herr. Mit kleinen, schlurfenden Schritten. Leicht nach vorne geneigte Haltung. Als ob er zu müde wäre, um aufrecht zu gehen. Lange genug mit Rückgrat durchs Leben gewandert. Jetzt, im hohen Alter, darfs etwas nachlässiger sein. In der einen Hand hält er die Leine seines Hundes. Der kleine Kerl, pechschwarz, kugelig und kraushaarig trottet gemächlich vor seinem Herrchen (übrigens auch in ziemlich viel Schwarz gekleidet). Sehe aus dem Köpfchen des Hundes förmlich Gedankenblasen aufsteigen. Beide völlig in sich versunken. Sie überqueren die Einfahrt zu einer Tiefgarage. Just in dem Moment biegt ein Auto in dieselbe Einfahrt. Oh Gott! In mir drin zieht sich alles zusammen. Schrecksekunde. Der ganze Film läuft vor meinem geistigen Auge ab. Ich sehe, wie der Hund unter den Rädern verschwindet. Ich höre förmlich das gequälte Jaulen des Vierbeiners. Und den Schreckensschrei seines Besitzers. Der ungläubig auf die schlaffe Leine in seiner Hand blickt. Das Hündchen, es wird sein Leben in Abziehbildform weiterführen. Und ich zerfliesse vor Mitleid. Bis ich realisiere, dass der Mann eine Leine mit dieser Rückzugfunktion in der Hand hält. Genau im richtigen Moment hat er auf den Knopf gedrückt und seinen zotteligen Begleiter aus der Gefahrenzone befördert. Nicht ganz unsanft. Aber doch gerettet. Grinsen. Jetzt ist mir klar, warum viele ältere Menschen mit diesen kleinen Bodenwischern unterwegs sind. Stelle mir grad vor, wie eine ausgewachsene Bulldogge durch die Luft fliegt. Und Herrchen unter sich begräbt. Aber, das ist eine andere Geschichte.
Monthly Archives: Dezember 2011
Coitus interruptus
Er war da. Der grosse Tag. Endlich sollte das langersehnte Treffen stattfinden. Und wie immer vor einem wirklich wichtigen Termin dauert die Visite im Badezimmer etwas länger. Der prüfende Blick in den Spiegel ist eine Spur prüfender. Die Wimpern erhalten die doppelte Ladung Tusche. Damit im richtigen Augenblick der richtige Augenzwinker erfolgreich zum Abschluss führt. Natürlich will man nicht nur durch sein Äusseres beeindrucken. Aber es ist part of the game. Fein zurechtgemacht und mit einem dezenten Hauch Parfum bestäubt aus dem Haus. Ab ins Auto und auf die Bahn. Die Fahrt ist herrlich. Die Landschaft zeigt sich von ihrer hübschesten Seite. Malerisch. Sanftes Sonnenlicht überzieht den Flecken Schweiz mit einem wunderschönen Schimmer. Spiegelt sich im See, wie tausend funkelnde Diamanten. Wenn das mal kein vielversprechender Start in den Tag ist. Angekommen. Viel zu früh. Das gibt Gelegenheit, noch etwas durch das schöne Städtchen zu schlendern. Die morgenfrische Luft einatmen. Jede Zelle des Körpers jauchzt ob der erquickenden Energiezufuhr. Herrlich! Der Countdown läuft. Brust raus, Bauch rein. Zähne zeigen. Klingeln. Der Weg zum Ziel führt durch ein nostalgisches Treppenhaus. Geschmückt mit unzähligen Bildern. Gemalt von einem Sprössling der Sippe. Ich werde bereits erwartet. Das Empfangskomitee ist imposant. Drei an der Zahl. Drei gegen einen? Werde in einen Raum geführt und darf mich setzen. Auf die Idee, mir den Mantel abzunehmen kommt niemand. Bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn nachlässig über die Stuhllehne zu hängen. Und schon geht’s los. Eine Abhandlung des Noch-Stelleninhabers über die Arbeit. Ergänzungen vom Grand Segnieur persönlich. Wie wichtig die Funktion sei. Wie angesehen der Ruf, wie hervorragend die Kontakte. Jede seiner Aussagen schreit nach: Ich bin wichtig! Ich bin wer! Und wer bei mir rein will, soll gefälligst auf die Knie fallen. Ich rutsche auf meinem Stühlchen hin und her. Blicke von einem zum nächsten und frage mich je länger je mehr, was ich denn hier mache. Der Redner hat geschlossen. Noch Fragen? Ja, dies und das. Wird mir in knappen Worten beantwortet. Und sonst? Gut, das wars dann. Ich sei natürlich nicht die Einzige. Und ich soll mich melden, falls ich nicht mehr interessiert sei. Aber sie würden sich noch vor Weihnachten entscheiden. Antritt Mitte März, spätestens. Gut, vielen Dank. Auf Wiedersehen. Und schon werde ich hinauskatapultiert. Stehe auf der Strasse und bin verwirrt. Das war wie ein schlechtes Quickie. Weder prickelnd noch inspirierend. Sondern eher etwas, das man angezettelt hat und mit Anstand und Würde hinter sich zu bringen versucht. Was bleibt, ist ein schaler Nachgeschmack. Und ein blödes Grinsen über sich selbst. Wieder mal zu romantisch unterwegs? Mit dem Glauben an Liebe auf den ersten Blick? So muss sich ein Coitus interruptus anfühlen. Ein Anfang mit einem sehr abrupten Ende. Mit dem feinen Unterschied, dass diese Bettgeschichte im Berufsalltag und vollständig bekleidet stattfand.
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Ein Tankstellenbesuch am frühen Morgen kann zu einem multikulturellen Erlebnis werden. Wenn man Musse und Laune hat. Auch sonst. Nur fehlt dann vielleicht die engelsgleiche Geduld, die es braucht, um das bunte Treiben in vollen Zügen auszukosten und zu geniessen. Und, dass ich die Morgens, kurz vor Sieben auf dem Weg zur Arbeit aufbringe, ist etwas viel verlangt. (Alle die mich kennen, wissen, dass Geduld nicht zu meinen, sonst so zahlreich vorhandenen, Stärken zählt.) Ich rolle also, mit den letzten Tropfen Diesel, die der Tank meines Autos noch beherbergt, Richtung Tankstelle. (Die Schweissperlen auf meiner Stirn sind wohl zahlreicher). Aber, ich schaff es. Zapfhahn in das Tankloch rein und beruhigt aufatmen. Geschafft. Continue reading
Ein orange-weisser Übeltäter
Was so ein orange-weisses Verkehrssignalisationshütchen oder eben Strassensperrkegel alles anrichten kann. Unglaublich. So simpel in der Form. Kein Designelement. Und doch achten alle darauf. Wenn es wo steht, dann weiss jeder Autolenker, dass da nicht durchgefahren werden sollte. Weil sich dahinter für Lenkende meist Unangenehmes (Baustellen, Baugruben, Schlaglöcher, offene Schachtdeckel und andere nette Dinge) befindet. Solange es steht, ist es sinnvoll, hilfreich und sorgt für Ordnung (nicht alles was steht hat per Definition diese Funktion …).
Wenn das Teil aber über den Boden kullert. Ui, dann bricht das Chaos aus. Gehört auf DRS drü. Verkehrsmeldung. Irgendwo zwischen Reiden und Basel kugelt ein Kegel durch die Gegend und verursacht Kilometer lange Staus und Verkehrsbehinderungen. Weil, einfach anhalten, auf die Strasse laufen und das Ding zur Seite räumen, geht wohl nicht. Ausser, jemand legt es darauf an, (in flachgepresster Abziehbildform liebevoll auf eine Pappwand aufgezogen) zum Ritter der Strasse gekürt zu werden. Ich hab mich grad eben gefragt, ob der orange-weisse Übeltäter schon beseitigt ist, oder immer noch für Chaos sorgt.
Insofern ist einmal mehr belegt, dass jede Sache zwei Seiten hat.
Let’s talk about
Sie sitzt am Küchentisch. Starrt, in Gedanken versunken, Löcher in die Luft. Die Uhr an der Wand, sie tickt vor sich hin. Sekunde um Sekunde hüpft der Zeiger vorwärts. Durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Sie starrt vor sich hin, Löcher in die Luft. Hängt ihren Gedanken nach. Hinter ihr tropft der Wasserhahn. Ein Geräusch, gleichmässig, hallend. „Sollte schon längst mal repariert werden“, denkt sie. Die Tropfen fallen in den Spültrog. Unbeirrt, leise, plätschernd. „Ich ruf nächste Woche den Klempner an.“ Sie starrt weiter vor sich hin. Die Löcher tanzen vor ihren Augen, leicht, schwebend. Wie bunte Seifenblasen, die vom Wind getrieben werden. Auf und ab, bunt und schillernd, Seifenblasenlöcher mit Gedanken gefüllt. Continue reading
Barbie wird älter
Es ist dieser nicht vorhandene Gesichtsausdruck, der mich in seinen Bann zieht. Gefangen nimmt. Und meine Denkrädchen in Bewegung setzt. Ganz langsam beginnen sie zu surren. Betrachten. Beobachten. Versuchen eine Regung wahrzunehmen. Entweder hab ich Sandkörnchen in den Rädchen. Oder es ist wirklich so, wie ich es sehe. Ein menschliches, weibliches Gesicht, das sich nicht bewegt. Der dünne Hals ist mit Falten überzogen. Feine Ästchen verleihen ihm eine leicht welkende Struktur. Sieht aus, wie eine kleine Schildkröte. Schrumpeliger Hals und obendrauf ein Köpflein. Mit allem, was dazugehört. Mit dem kleinen, feinen Unterschied, dass es sich hier nicht um eine Schildkröte sondern um eine Frau handelt. Continue reading
Barbie lebt
Montagabend im Fitnesscenter. Bin spät dran. Es ist nach halb acht, als ich die Geräte stürme. Montag ist ja immer DER Fitnesstag. Alle wollen sich das ungesunde Wochenende aus den Knochen und Muskeln strampeln. Ein Phänomen, das ich bis heute nicht begreife. Warum haben ausgerechnet montags alle das Gefühl, etwas für ihre Fitness tun zu müssen? Das Wochenende würde dazu doch Zeit en masse bieten?
Mit dem Alter entspannter
So stelle ich es mir eigentlich vor. In meinen Tagträumen. Manchmal auch Nachts. Nix mit Bauch einziehen beim Sex. Sondern munteres vor sich Hintragen und Stolz sein. Schliesslich alles selber bezahlt und mit Würde getragen. Das Decolleté etwas faltig aber immer noch schön anzusehen. Und hängen darf auch schon was. Die Bäume verlieren im Herbst schliesslich auch ihr Blätter. Ja, genau so stell ichs mir vor. Continue reading